Keller hatte natürlich sein falsches Gesicht angezogen. "Wir reiten zur Schlucht der Lügen", war der einzige lapidare Satz, zu dem er sich an jenem Abend durchrang. Sam grübelte stumm und ganz ohne einen Gedanken zu verschwenden vor sich hin, während die brave Assel sie beide den beschwerlichen Weg über das Benussi-Gebirge trug. Bei ihrer Eile nahmen sie nicht einmal die atemlose Schönheit des Vittorio-Gipfels im Mondlicht wahr. Unbeirrt und umnachtet kroch Kellers alte Assel durch das gestaltenreiche Wertheimertal. Sam gedachte hier beiläufig seiner schon wieder krepierten Inliner, die er in der letzten Schmiede am Weg zur Reparatur gelassen hatte, hoffend, dass es eines frohen Tages einen Rückweg gäbe und ein Wiedersehen mit generalüberholten Inlinern, die den Strapazen ihres aufreibenden Jobs wieder gewachsen sein würden. Sam sollte viel später erfahren, dass er sich in jeglicher Hinsicht verhofft hatte. Doch zunächst tauchte rechts vor ihnen, fast wie in Zeitlupe oder eher noch etwas langsamer, der Finsterwald auf. Und das war jetzt eindeutig Sams Geschäft! – Wie ein wildgewordener Kängurubulle sprang er von der Assel, was die Arme fast ihr Gleichgewicht kostete, hätte Keller nicht, reaktionsschnell wie immer, die Handvollbremsung einge- legt. Nachdem Sam bei einem strauchdumpfen Baumstumpf seine drängenden Geschäfte erledigt hatte, stieg er reichlich erleichtert wieder hinter Keller auf die brave Assel, die alsbald in unwissende Nächte ohne Sterne, doch gewiss nicht ohne Hundehaufen davontrabte. Fortsetzung folgt.
© Bhajan Noam