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KULTIVIERTE DISKUSSION
als Grundlage eines respektvollen Zusammenseins

 

Diesen Artikel schrieb ich vor sechs Jahren. Als ich ihn eben wieder las, dachte ich, gerade in dieser speziellen Zeit ist er aktueller denn je. - Eine nach alter Tradition gepflegte Diskussion besteht aus Argumenten und Gegenargumenten, Begründungen der eigenen Position und ein Nachsinnen über die Worte und Begründungen des Gesprächspartners. Diskussion kommt von dem lateinischen Verb "discutere", was auseinandersetzen, zerlegen heißt. Damit ist das genaue Betrachten der Einzelheiten (in Bezug auf ihre Auswirkungen) einer Sachlage, einer gegebenen Situation, eines Plans oder einer schon gefallenen Entscheidung, die revisionsbedürftig ist, gemeint.

 

Glaube, Meinung und Überzeugung sind dabei Totschlagargumente. Was will man dafür oder dagegen sagen. Wenn jemand etwas ganz fest glaubt, eine unumstößliche Meinung hat oder von einer Sache vollkommen überzeugt ist, dann kann der andere Argumente und Beweise anführen, soviel er will, den Glaubenden, den Meinungsinhaber, den Überzeugten interessiert das nicht. Somit hat er die sachliche Ebene der Diskussion verlassen. Er hat den lebendigen Prozess des Austauschs verlassen, der zu Lösungen hätte führen können. Bei einer Diskussion geht es letztlich nicht um mind games, sondern darum, einen gegebenen Zustand zu verändern, der zumindest einem der Diskutierenden missfällt.

 

In dem Zusammenhang ist das strikte Vermeiden von persönlichen Angriffen oder negativen Wertungen der Argumente des Gegenübers Grundlage einer sachlichen und ergebnisoffenen Diskussion, in der jeder Teilnehmer in seinem Sosein geschätzt wird. Aus dem Grund ist eine stille Meditation vor dem Beginn der Diskussion ein hilfreicher und heilsamer Einstieg. Die gemeinsame Sorge für das Wohl jedes Einzelnen muss immer im Mittelpunkt bleiben.

 

Diskussionen sind Schulungen des Bewusstseins, der Intelligenz, der Sensibilität, des Mitgefühls, der Wertschätzung seiner selbst und aller Mitwesen, der Menschlichkeit, des Verständnisses für andere Individuen, Situationen und Denkweisen. Ohne Liebe dienen sie dem Ego und führen zu Kriegen.

 

Zwölf essentielle Voraussetzungen für eine kultivierte Diskussion:


* Die eigenen Gründe für die Teilnahme an einer Diskussion ehrlich hinterfragen

* Meditativer Beginn, Emotionen runterfahren, die Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt 

  stellen

* Eine kreisförmige Sitzanordnung erzeugt Gleichrangigkeit und harmonische Energie

* Verbales Vermitteln der Wertschätzung seines Gegenübers

* Respekt und Sachlichkeit bei seinen Argumenten bewahren

* Frische, Witz und eine gute Priese Humor sind immer förderlich

* Vor dem Reden: zuhören, überlegen und eine Antwort gedanklich vorformulieren

* Niemals ins Wort fallen, aussprechen lassen

* Ein Phase der Stille, der Kontemplation zwischen einzelnen Ausführungen zulassen

* Ergebnisoffen aber kompetent diskutieren

* Das eigene Wohl weder gegen das Wohl anderer ausspielen noch zurückstellen

* Die höchsten Güter sind Frieden, Wohlergehen, freundliche Gesinnung

 

© 2020 Text: Bhajan Noam

 

 

GEBURTSVERTRAG
 

Als unser Sohn wieder einmal nörgelte, quengelte und zuletzt wütend in der Wohnung herumschrie, weil wir nicht bereit waren, ihm das allerneuste iPhone zu kaufen, nahm ich ihn sanft beiseite, schaute ihm in die Augen und sprach: „Mein Sohn, Mama und Papa haben dir dein Leben geschenkt, du bekommst zu essen, etwas warmes zum Anziehen, eine Wohnung, eine gute Ausbildung, ein angemessenes Taschengeld und unsere ganze Liebe. Mehr steht nicht in deinem Geburtsvertrag. Gott  aber hat dir einen Verstand gegeben, der mit Phantasie begabt ist. Erfinde Spiele, schreibe Gedichte oder male Bilder. Kaufe dir wertvolle Bücher, die deinen Geist weiten und deine Seele nähren. Besuche mit uns Museen und klassische Konzert. Sei wach, sei bewusst, sei besonders. Sei nicht wie die, die nur noch eine Blickrichtung kennen, die ihren Geist abstumpfen und ihrer Seele schaden, ohne es zu wissen. Sei reich in deinem Wissen, in deiner Erfahrung, in deiner Kreativität und entwickle Mitgefühl in deinem Herzen.“


„All dessen beraubt dich ein iPhone. Es macht dich arm, indem es dich um deine inneren Schätze nach und nach betrügt, dumm, indem es dir das eigene Denken und Entscheiden abnimmt, emotionslos, indem du tödliche Spiele spielst die für dein Gemüt jedoch ganz real sind, und es macht dich geistig abhängig, indem deine natürliche Intuition und die Inspiration eingeschläfert werden. Du wirst nicht alles verstehen, was ich dir gerade sage, doch du wirst es verstehen, wenn du einst selbst Vater geworden bist. Deshalb vertraue in diesem Augenblick und lasse dem Vertrauen Zeit, irgendwann ein Verstehen zu werden. Bis dahin halte dich an den Geburtsvertrag und fühle dich immer verstanden und geliebt von uns.“  


Meinem Sohn kam ein leises „Danke“ über die Lippen, während er mich ernst und nachdenklich anschaute, dann drehte er sich um, lächelte seine Mutter im Vorbeigehen an und verschwand für einige Stunden in seinem Zimmer. Während des Abendessens saß er schweigend mit am Tisch, doch als wir mit dem Essen fertig waren, sagte er: „Ihr habt mir doch einmal den Film ‚Der Club der toten Dichter’ gezeigt. Ich werde den ‚Club der jungen lebendigen Dichter‘ gründen, und vielleicht, wenn ich ihnen vernünftig zurede, machen ja einige aus meiner Klasse mit.“  


Und er hat es tatsächlich geschafft, gerade stellen sie – mein Sohn und fünf seiner Mitstreiter – ihr erstes gemeinsam geschriebenes, selbst gedrucktes und handgebundenes Buch vor. Ob das nun eine Masche wird und die Handyindustrie um ihre Umsätze bangen muss? Nein. Doch diese Jungs werden ganz sicher ihre ganz eigenen Wege erfinden. Vielleicht Traumpfade, vielleicht gefährliche Gebirgspässe, vielleicht auch Irrwege durch Labyrinthe. – Ist das nicht viel interessanter als eine glatte Autobahn ins Nichts!


(Diese Geschichte beruht nicht auf einer wahren Begebenheit. Sie kam mir heute beim Spaziergang in den Sinn und ich schrieb sie auf.)


© 2020 Text: Bhajan Noam

 

 

 

OPFER WERDEN ZU TÄTERN


Ich weiß nicht, wann der Irrsinn begonnen hat, dass Menschen schon bei der Geburt, in ihren ersten Lebensaugenblicken, geschädigt werden. Tatsache ist aber, dass die zu frühe Durchtrennen der Nabelschnur, die allgemeine Praxis ist, jedes Kind für sein ganzes Leben schwächen und schädigen kann.


Und diese in ihrer Kindheit geschwächten und geschädigten Menschen führen die Tradition zwanghaft weiter bei ihren eigenen Kindern und Kindeskindern. Opfer werden fast immer zu Tätern.


Wir reden hier von Fakten!


Der Nabel (etymologischer Ursprung ist „Nabe“, der Mittelteil des Rades, durch das die Achse geht), entsteht nach der Abnabelung und ist eine Vertiefung in der Bauchmitte. Er ist die Stelle, an der beim Embryo während der Schwangerschaft die Nabelschnur mit der Plazenta verbunden ist und die für das Leben und Wachstum notwendigen Stoffe mit dem Blutkreislauf der Mutter austauscht. Nach der Geburt und dem Durchtrennen der Nabelschnur verwächst der Bauchnabel und verschließt sich. Er ist eine Narbe, da es sich bei der Nabelschnur um Gewebe des Embryos handelt.


Bei einer natürlichen Geburt darf die Nabelschnur in Ruhe auspulsieren. Das kann 20 bis 30 Minuten dauern. Dabei liegt das Baby entspannt auf dem Bauch der Mutter, beide berühren und begrüßen sich. So kommt ein Kind entspannt und gesund in diese Welt.


Beim traditionellen Durchtrennen der Nabelschnur gibt es graduelle und kulturelle Unterschiede:


1) Man führt das Durchtrennen nach dem Auspulsieren und noch vor der Geburt der Plazenta durch;

2) irgendwann nach der Geburt der Plazenta;

3) nach dem Eintrocknen der Nabelschnur (dauert 1-2 Tage);

4) gar nicht: es wird gewartet, bis der Nabel abheilt und die Nabelschnur von allein abfällt (das ist die sogenannte Lotusgeburt, es kann bis zu 10 Tage dauern).


Während die Nabelschnur noch pulsiert, geschehen folgende Prozesse: Das Baby erhält 30 % mehr Blut (in seinem Köper befinden sich nur 300ml). Mit diesem Blut aus Nabelschnur und Plazenta erhält es den ihm zustehenden Gehalt an roten Blutkörperchen, Eisen, Sauerstoff, Stammzellen und wichtigen Immunstoffen.


Bei einem frühzeitigen oder sofortigen Durchtrennen der Nabelschnur, was in der westlichen Medizin „normal“ ist (in der Regel nach ca. 3 Minuten), passieren drei Dinge:


1) Ausreichend Blut und oben genannte grundlegende Stoffe fehlen dem Kind zu seiner gesunden Entwicklung.

2) Die Nabelschnur versorgt das Kind weiterhin über das Blut aus der Placenta mit Sauerstoff, es kann das Atmen langsam „üben“. Bei einer sofortigen Durchtrennung ist es gezwungen, plötzlich und gewaltsam tief einzuatmen. Der erste Sauerstoff in den noch zarten Lungenbläschen wirkt wie Feuer. Es schmerzt, deswegen schreit das Kind. Ist der erste Atemzug mit einer solch negativen Erfahrung belastet, kann sich das tiefgreifend auf das ganze Leben des Menschen auswirken. Die meisten Menschen atmen flach – und leben auch ebenso flach. Sie schöpfen weder die volle Tiefe des Atems noch die des Lebens für sich aus. Es ist dieser unbewusste erste Schock, der im Energie- und Nervensystem, in muskulären Strukturen und im Emotionalkörper verborgen sie unentwegt begleitet.

3) Die noch pulsierende Nabelschnur ist lebendiges Gewebe. Wird dieses durchschnitten, reagiert der Körper wie bei einem Angriff mit reflektorischem Anspannen der Muskulatur, um sich zu schützen. Das betrifft die Muskeln und das Gewebe um den Nabel herum. Diese Spannung geht tief und löst sich nur selten wieder von alleine auf. Das heißt, dass diese Menschen sie ein Leben lang mit sich tragen. Um den Nabel herum befindet sich der in Japan so bezeichnete „Dantian“. Alle wichtigen Organe sind mit diesem Gebiet reflektorisch verbunden. Ist also der Nabelbereich entspannt, arbeiten die Organe gesund; ist er hingegen angespannt, wirkt sich das auf Dauer negativ auf die Funktion der Organe aus.


Das hier Gesagte heißt runtergebrochen auf einen Satz: Das vorzeitige Durchtrennen der Nabelschnur ist ein Gesamtangriff auf dieses kleine Wesen, seinen Körper, seine Psyche und sein ganzes weiteres Leben.


Diese Sätze predige ich und einige andere schon seit Jahrzehnten. Ich hoffe immer noch, dass sie irgendwann in einer breiteren Öffentlichkeit ankommen und ernst genommen werden.


Der englische Arzt Erasmus Darwin, der Großvater von Charles Darwin, schrieb bereits im Jahre 1801: „Eine weitere sehr schädliche Praxis ist das zu frühe Abbinden und Durchtrennen der Nabelschnur; diese sollte immer intakt bleiben, nicht nur bis das Kind gleichmäßig atmet, sondern auch bis jede Pulsation der Nabelschnur aufhört. Ansonsten ist das Kind viel schwächer als es sein sollte, ein Anteil Blut verbleibt in der Plazenta, die eigentlich im Kind sein sollte.“


Ähnliches verbreitete der verdienstvolle französische Arzt Frederik Lebojer, der in den 1970er Jahren seine Bücher schrieb, nachdem er bei Indienaufenthalten das natürliche Gebären bei den Inderinnen erlebt hatte. Ihm im Besonderen verdanke ich, dass alle meine Kinder Hausgeburten sind und auf sanfte und natürliche Weise in diese Welt geführt wurden.


© 2021 Text: Bhajan Noam

 

 

DIE ESSENZ DER „BRIHADARANYAKA UPANISHAD“


Mein Artikel in YOGA Aktuell


© Text: Bhajan Noam - Es war bei einer Fahrt im Auto. Es regnete. Die Scheibenwischer bewegten sich hin und her und klärten den Blick auf die Straße. Und ich dachte, so müssen auch wir immer wieder den Blick klären auf unserem inneren Weg, den wir gehen. Wir haben zwar alte Schriften, alte Landkarten, die wir benutzen können. Doch kennen sie die Wege von heute? Die Zeiten und Kulturen ändern sich und mit ihnen auch die Landschaft und die Straßenverläufe. Wir sind stets in unserer eigenen Verantwortung. Schriften können nicht mehr als grobe Hinweise sein. Die Feinjustierung findet aber in unserem Bewusstsein statt. Und so kann es sein, dass wir die alten Texte für uns neu verfassen müssen.


Die folgende Geschichte entstammt der berühmten Brihadaranyaka Upanishad. Wer sich die Mühe macht und nachschaut, wird darin eine andere Version der Geschichte vorfinden. Sehen wir uns aber diese an, die mein Meister einmal erzählte und die ich bevorzuge, weil sie eine Frage aufwirft, die sich auf dem Weg der gewohnten Logik nicht beantworten lässt. Eine neue heilige Zeit bricht gerade an, für neue heilige Geschichten, die uns Erkenntnisse geben können für unser gegenwärtiges Leben.

 


Die Geschichte von Gargi


Vor fünftausend Jahren, in den Kindheitstagen der Menschheit, zu jener Zeit, als die Upanischaden geschrieben wurden, rief König Janaka, Herrscher von Videha, alljährlich sämtliche Weisen zu einem Wettstreit zusammen. Er selbst war ein philosophisch interessierter Mann. Natürlich wäre kein Erleuchteter zu diesen Streitgesprächen gekommen, denn sie waren kindisch, auch wenn es eine hohe Belohnung gab. So geschah es einmal, dass der Herrscher ankündigte, er würde demjenigen, der als Sieger aus dem Wettstreit hervorging, tausend Rinder mit vergoldeten, diamantenbesetzten Hörnern geben.


Yajnavalkya war einer der berühmtesten und gelehrtesten Männern jener Tage. Er war sich seines Sieges völlig gewiss, und als er auf dem Gelände, wo die Debatte stattfinden sollte, eintraf, sah er die Rinder – und die eintausend Rinder mit ihren vergoldeten, diamantenbesetzten Hörnern waren im Sonnenlicht ein wahrhaft großartiger Anblick. Er sagte zu seinen Schülern: „Bringt die Rinder in unser Lager, damit die armen Tiere nicht so lange unnötig in der heißen Sonne stehen müssen.“


Die Schüler sagten: „Aber du musst sie doch erst gewinnen!“ Und er sagte: „Dafür sorge ich schon.“ Auch der Herrscher konnte ihn nicht abhalten. Und all die weisen Männer, die sich zu Tausenden versammelt hatten, sie alle konnten ihn nicht abhalten. Sie wussten, es war unmöglich ihn im Streitgespräch zu besiegen. Also führten seine Schüler die Rinder fort.


Doch kurz bevor er zum Sieger erklärt werden sollte, trat eine Frau namens Gargi vor, sie hatte auf ihren Ehemann gewartet, der ebenfalls bei der Debatte war. Und es wurde schon spät, darum ging sie ihn holen. Als sie das Gelände betrat, wurde sie der ganzen Szene gewahr, und sie sah, dass man die Rinder schon vor dem Sieg weggeführt hatte.


Sie sagte zum Herrscher: „Erkläre noch nicht seinen Sieg.“ Und zu Yajnavalkya gewandt sagte sie: „Mit diesen Philosophen hattest du ein leichtes Spiel. Aber lass mich, eine Frau, dir eine einfache Frage stellen. Wenn du sie beantworten kannst, behalte die Rinder, die du zu unrecht schon so früh in dein Lager geführt hast. Wenn du sie nicht beantworten kannst, musst du sie mir bringen lassen.“ Yajnavalkya war kurz irritiert, aber dann sagte er mit herablassendem Ton zu Gargi: „Stelle mir deine Frage, aber mache es kurz, ich habe heute noch einen weiten Weg mit den Rindern vor mir.“


Gargi, die sich nicht beeindrucken ließ, fragte Yajnavalkya, dem sie direkt in die Augen schaute: „Sage mir, ist alles, was existiert, erschaffen?“ „Ist das deine Frage“, lachte er, „ja gewiss, alles ist von Gott erschaffen! Und jetzt lass mich in Ruhe mit solchen albernen Fragen, die dir jedes Kind beantworten kann.“ „Langsam“, sagte Gargi, „ich bin noch nicht fertig. Jetzt bist du nämlich in Schwierigkeiten. Wer erschuf Gott? Denn er existiert genauso, und alles was existiert braucht einen Erschaffer.“ Yajnavalkya erkannte, dass es problematisch wird. Denn wenn er sagt, ein anderer Gott hat ihn erschaffen, wird die Frage von neuem beginnen – wer erschuf den anderen Gott? Du kannst es tausendmal beantworten, doch die Frage wird dieselbe bleiben: Wer erschuf den ersten Gott? Und wenn da jemand ist, der ihn erschuf, kann er sich nicht als den ersten bezeichnen.


Yajnavalkya wurde so ärgerlich, dass er sein Schwert zog und sagte: „Frau, wenn du nicht aufhörst, wird gleich dein Kopf zu Boden fallen!“ Aber Gargi sagte: „Tue dein Schwert zurück in die Scheide. Schwerter sind keine Argumente.“ Und sie sagte zum Herrscher: „Sage diesem Mann, dass er die eintausend Rinder zurückbringen muss.“ Es war so beschämend für Yajnavalkya, dass er später niemals mehr an einer Diskussion teilnahm. Und Gargi bekam alle eintausend Rinder. Sie ist die erste bekannte erleuchtete Frau in der Geschichte.

 


Mein Kommentar


Yajnavalkya ist ein Philosoph. Deshalb kann er nur in der Kategorie ‚Fragen und Antworten’ denken. Jede Frage kann beantwortet werden, wenn man nur entsprechend tief nachsinnt. Diesen Glauben zerstört Gargi in ihm und will ihm damit den Weg in sein innerstes Sein öffnen, wo weder Fragen noch Antworten einen Sinn ergeben. Doch Yajnavalkya versteht es nicht. Er wird fast gewalttätig und entblößt damit die ganze Schwäche seines Philosophierens. Die dünne Haut einer zusammengeraubten Weisheit bricht auf und zeigt die eiternde Wunde der Dummheit. Hätte er meditiert statt zu philosophieren, würde er Gargi verstehen, wäre er gar nicht erst in einen Disput mit ihr eingetreten.


Er zieht das Schwert gegen Gargi, damit ist gemeint, er versucht sich mit scharfem Denken aus der Schlinge zu ziehen. Aber Gargi sagt: Dein scharfes Denken nutzt dir nichts, es bringt dich nicht weiter, du bleibst damit auf der Stelle. Sie sagt: Argumentieren ist nicht Meditieren, du tust nichts weiter, als an der Oberfläche paddeln, springe aus deinem Boot und tauche ins Meer, vorher ist unser Austausch fruchtlos. Gehe aus dem Kopf mitten hinein ins Existenzielle, fordert sie ihn auf. Nicht mal deinen geraubten Besitz kannst du zusammenhalten, alles Gold und alle Kühe entschwinden dir, weil dein Verstand nie an die Heiligkeit und an das Bewusstsein gerührt hat.


Der Philosoph erlebt die Trennung zwischen dem der denkt und den Gedanken, zwischen dem der atmet und dem großen Atem. Der Meditierende hat am Ende keine Fragen mehr und kein Interesse an unsinnigen Antworten. Der Meditierende ist selbst die Antwort. Sein Hiersein ist das Lachen des ewig wehenden Atems.


Yajnavalkya ist kein Weiser, er ist lediglich clever. Eigentlich ist er nichts weiter als ein gieriger Mensch und obendrein ein Angeber – man könnte also sagen: ein typisch tamasischer Mensch, der sich nach außen aber gerne als einen Vertreter von Sattva präsentiert. Mit seiner vorgeblichen Weisheit will er in Wahrheit Macht und Einfluss am königlichen Hof gewinnen, er ist auf Reichtum, Ruhm, Ansehen und die ganzen äußerlichen Dinge aus – und scheitert kläglich an einer einfachen Frau, die sich ihr natürliches Empfinden bewahrt hat und ihrer weiblichen Intuition folgt. Diese Geschichte ist wunderbar geeignet, einen Sprung in ein ganz grundlegendes Thema zu wagen:

 


Ost – West, zwei konträre Lebensstile


Das Kranke besitzt seine ganz eigene Macht. Wäre es nicht so, sähe die Welt nicht so aus, wie sie sich uns heute zeigt. Was ist Sattva und wie kam es zur Ausbreitung von Tamas? Rudolf Steiner beschreibt in einem seiner Vorträge den Untergang von Atlantis. Das Volk der Atlanter war in sieben Kasten aufgeteilt. Als der Kontinent unterging, retteten sich die Menschen zunächst mit Schiffen auf den afrikanischen Kontinent, dann zogen sie jedoch nach Norden durch ganz Europa hindurch und weiter nach Osten gen Asien. Die drei untersten Kasten, so meinte Steiner, blieben in Europa zurück und die vier oberen Kasten ließen sich zuletzt in Indien nieder. Ich bin mir sicher, dass er dies sehr ironisch sagte und damit die tamasische Lebensweise des Westens im Gegensatz zur Sattva anstrebenden Lebensweise des Ostens karikierte. An dieser Geschichte ist interessant, dass die tamasischen Menschen zunächst zurückblieben, weil sie zu träge waren weiterzuziehen, sich später aber fast über den ganzen Globus auszubreiten vermochten. Wie konnte das geschehen?


Wer Sattva anstrebt, wählt den Weg der Kontemplation und Meditation. Beides führt zu Ahimsa, zu Gewaltlosigkeit, zu einer sehr friedvollen und genügsamen Lebensweise. Der sattvige Mensch lebt mehr in der geistigen als in der materiellen Welt. Er fühlt sich auf natürliche Weise eins mit dem sichtbaren und unsichtbaren Universum. Ebenso ist er untrennbar mit seinen Mitmenschen und allen Mitwesen verbunden. Liebe und Fürsorge sind seine selbstverständlichen Eigenschaften. Er neigt nicht zu materieller Expansion, weil er keinerlei Mangel verspürt. Er erfährt die lichtvolle und unendliche Weite der Sternenwelten in sich und ist daher stets erfüllt von göttlicher Wonne.


Ganz im Gegensatz dazu der tamasische Mensch: Er wählt nicht den geistigen Pfad der Sammlung und Würde, er folgt dem fehlinterpretierten Satz der Bibel und betrachtet Mutter Erde als seine Untertanin, die er nun im wahrsten Sinne auffrisst und aussaugt. Sein Bewusstsein ist auf dem Stand eines Säuglings verblieben. Bekommt ein Säugling aber einen erwachsenen Körper, muss er zwangsläufig zu einem Schlächter und Mörder mutieren, um seine immer maßloser werdende Gier befriedigen zu können. Oder er wählt die Intrige und die Korruption als seine Werkzeuge. Mit ihnen kann er, verfettet und verblödet, von seinem Sessel aus die Welt beherrschen.


Sattvige Menschen vermögen den tamasischen Wesen lange Zeit nichts entgegenzuhalten. Doch sie wissen, dass auch in jenen ein Funke des Göttlichen glimmt. Mit Zeit und Ausdauer und mit unendlichem Mitgefühl versuchen sie die Glut neu zu entfachen. Und es geht tatsächlich eine Faszination vom Osten aus, eine Musik, die selbst den Stocktaubsten im Herzen berührt, ein Licht, welches selbst im Blinden zuerst Sehnsucht und dann immer mehr Wiedersehensfreude erweckt.


Es werden am Ende immer nur wenige sein, die sich rückhaltlos vom Geist berühren lassen. Die Meister sagen, unter Hunderttausend gibt es nur einen der ernsthaft meditiert und unter hunderttausend Meditierenden nur einen, der die Erleuchtung erlangt. Sollten wir deswegen verzweifeln? Ein einziger Erleuchteter macht den Sternenhimmel bereits heller. Und wenn wir damit aufhören, ihn zu bekränzen und anzubeten und stattdessen uns selbst auf den steinigen Weg begeben, werden die Sterne zu Sonnen und dieser Planet zu einem alles überstrahlenden Paradies. OM TAT SAT.


© Text: Bhajan Noam

 

 

YOGA PARTEI
 

Eine Yoga Partei ist in sich ein Widerspruch. Deswegen kann sich nur jemand mit dem Gedanken befassen, eine Yoga Partei zu gründen, der Yoga nicht wirklich lebt und aufgrund dessen auch nicht verstanden hat. Wer aber Yoga nicht verinnerlicht hat, wie will er Yoga nach außen hin vertreten? Yoga heißt „Verbindung“, „Einheit“. Das Wort Partei hingegen leitet sich von dem lateinischen Wort „partire“ ab, das „teilen“, „trennen“ bedeutet. Eine Partei ist eine Gruppierung von Menschen, die sich aufgrund ihrer Überzeugung von anderen abgrenzen und unterscheiden will. Durch Yoga verbinden wir uns mit dem Göttlichen und erfahren uns zuletzt in unserer eigenen Göttlichkeit. Auf diesem Weg erleben wir immer mehr die Göttlichkeit aller Wesen und Welten. Aus einem Gefühl des Getrenntseins (Maya) erwachen wir allmählich in die kosmische Einheit (Samadhi).

 

Wer eine Partei gründet, wer sich also trennt vom Ganzen, der will besonders sein und aufgrund seiner eingebildeten Besonderheit letztlich herrschen. Trennung führt zu Machtgelüsten. Machtgelüste sind Vampirismus, man will, ja man muss notgedrungen die Energien anderer aufsaugen. Warum? Weil man sich von der wahren Quelle der Kraft abgesondert hat. Ein Mensch, der in Verbindung mit der göttlichen Quelle steht, empfindet keinen Mangel, in ihm entstehen keine Machtgelüste. Liebe und Mitgefühl blühen in ihm auf, der Wunsch sich zu verschenken und alle Wesen teilhaben zu lassen an der großen Gnade, an dem göttlichen Glanz. Ein Yogi muss nicht argumentieren, überzeugen, Glaubensbrüder gewinnen. Seine bloße Präsenz genügt. Sie ist ein Licht in dieser Welt, das kostenlos jeden nährt, der es annimmt. In diesem Sinn ist Yoga die höchste Form der Politik, der Arbeit für das Gemeinwohl, ohne sich in die Geschäfte der gewöhnlichen Alltagspolitik zu verwickeln. OM Tat Sat.


© 2019 Text: Bhajan Noam

 

MIT EINER ILLUSION LEBEN ODER IN DER WAHRHEIT STEHEN?


Willst du mit einer Illusion leben oder in der Wahrheit stehen? Die meisten Menschen ziehen in fast allen Bereichen die Illusion vor. In vielen Fällen glauben sie sogar fest, dass die Illusion die Wahrheit ist. Nicht nur das, sie streiten für ihre Traumgebilde, sie ziehen deswegen in Kriege, sie töten für einen nicht existenten Hauch Phantasie.

 
Nehmen wir die Religion: Ein gewisser Götze existiert nicht, auch wenn er in Millionen Statuen abgebildet ist und in Millionen Tempeln angebetet wird. Er ist aus Holz, aus Metall oder Stein, du hast ihn dir selbst erschaffen oder von einem Künstler anfertigen lassen, was soll er bewirken? Selbst wenn Du ihn Weltenlenker nennst, er ist nichts als ein Witz.


Nehmen wir die Politik: Dir wird erzählt, du lebst im besten aller Systeme, in einer Demokratie, in einer freien Welt. Aber niemand außer dir selbst kann dir die Freiheit geben. Niemand kann dir Selbstbestimmung verordnen, nur du alleine. Auch das Beste aller Systeme ist ein System und wird dir Gewalt antun, wenn du dich ihm nicht unterordnest.


Nehmen wir die Liebe: Du glaubst, einen bestimmten Menschen zu lieben. Hast du jemals hinterfragt, ob das stimmt? Du streitest mit diesem Menschen, du hast Forderungen oder Erwartungen an ihn. Ist das Liebe oder nur verbrämter Egoismus? Dieser Mensch wird krank, wird alt und gebrechlich und baucht deine Hilfe. Wird er jetzt zur Last für dich? Wenn du nur das Vergängliche in ihm wahrnimmst und nicht die ewige Seele, ist das Liebe?


Nehmen wir den Beruf: Schule und Studium bereiten dich auf eine Tätigkeit vor, die du dann dein Leben lang ausführen wirst. Du identifizierst dich mit dieser Tätigkeit, sie ist dein Aushängeschild. Du nennst dich jetzt Ingenieur, Verkäufer, Klempner, Arzt oder Anwalt. Aber das bist nicht du, das ist lediglich dein Broterwerb.


Solange nicht alle Vorhänge gefallen sind, solange du nicht in der Wahrhaftigkeit des ewigen Seins angekommen bist, die Weisheit, Friedfertigkeit, Liebe, Mitgefühl und die reine Seele bedeutet, träumst du, bist du in einem Wahn gefangen, erfährst du auf einer imaginären Bühne eingebildete Freuden und Leiden scheinbar ohne Sinn. Erkenne den tiefsten Sinn in allem und über allem. Erkenne, wer du wirklich bist!


© 2021 Text und Foto: Bhajan Noam

 

 

MEDITATION GESCHIEHT JENSEITS VON ZEIT


Seit Albert Einstein wissen wir, wenn der Mensch sich mit annähernder Lichtgeschwindigkeit bewegen würde, wäre die Zeit aufgehoben. Darüber hinaus liefe sie sogar rückwärts. Das heißt für uns, Zeit ist Bewegung, ohne Bewegung gibt es keine Zeit.


Deshalb sitzen wir in der Meditation ganz still und versuchen ebenso unseren Geist zur Ruhe zu bringen. Die Erfahrung, die wir dabei im Idealfall machen können, ist, dass wir in einer Zeitlosigkeit ankommen, in etwas wie einem inneren heiligen Tempel. Würden wir nicht vor und nach der Meditation auf die Uhr schauen, wüssten wir oft nicht, wie lange wir meditiert haben. Um diese Zeitlosigkeit geht es eigentlich bei der Meditation. Denn das Göttliche, mit dem wir uns verbinden möchten, ist jenseits von Zeit, ist jenseits von Raum, ist jenseits von bekannten Begriffen.


Wir sind in unserem Alltagsleben, spätestens ab der Schule, so an Uhren und an vorgegebene Zeitrhythmen gewöhnt, dass wir uns, außer vielleicht am Wochenende und im Urlaub, ein Leben ohne diesen Taktgeber nicht mehr vorstellen können. Zeit aber gehört zur materiellen Welt, in der spirituellen Welt existiert sie nicht. Bewegen wir uns in der Zeit, sind wir, wenn wir nicht sehr bewusst, sehr wach bleiben, im gewissen Sinn abgeschnitten vom Göttlichen. Die Zeit ist eine Traumebene, eine unwirkliche, schiefe Ebene, von der wir zwangsläufig immer wieder herunterpurzeln. In der Zeit können wir uns nie aufgehoben und sicher fühlen. Deswegen werden Menschen, je mehr sie sich Terminen aussetzen, so unruhig, unsicher und nervös. Ein regelmäßig Meditierender kennt das nicht.


Wir sehen, dass es um die geistige Unruhe, die lärmenden Gedanken, die Überforderung durch die chaotischen Bewegungen im Verstand geht. Sie sind es, die uns der Stille berauben. Durch Meditation, durch das Heraustreten in einen zeitfreien Bereich, kommen wir zurück in unsere Kraft, in unsere Wirklichkeit, wir verlassen den Traum, der uns immer wieder so real zu sein scheint, aber der uns tatsächlich kraftlos und müde macht. Im Schlaf sind wir zeitlos und tief verbunden mit der Quelle; beim langsamen Erwachen können wir es oft noch spüren. Doch dann stürzen wir uns in den Alltag und zerreißen dabei dieses zarte Band. – Durch regelmäßige Meditation lernen wir allmählich, dauerhaft in dieser heiligen und heilsamen Verbindung zu bleiben. Es wird Rückschritte geben. Doch ebenso wird die Erinnerung immer schneller zurückkehren. Irgendwann ist auch kein stilles Sitzen mehr notwendig, selbst in körperlicher Aktivität lernt der Geist ruhig zu bleiben.


Körperliche Stille und ein ruhiger Atem fördern zu Beginn das Stillwerden unseres Verstandes. Mit fortschreitender Übung erfahren wir auch in Aktivität Ruhe und Gleichmut und spüren immer mehr, was an äußerem Tun tatsächlich zu uns gehört und mit was wir uns Schaden zufügen. So werden wir bald selbstbewusster und liebevoller mit uns umgehen, was fast automatisch einen respektvolleren und mitfühlenderen Umgang mit unseren Nächsten mit sich bringt. Meditation ist zugleich Selbst- und Nächstenliebe – und aus der Tiefe kann dann, wie ein zarter Keim, auch die Gottesliebe hervortreten.

 

© 2021 Text und Foto: Bhajan Noam

 

 

ZU NORMAL ODER ZU VERRÜCKT FÜR DIESE WELT

 
Sobald du beginnst, diese Welt als das zu entdecken, was sie ist, und daraus die Konsequenzen für dein Leben zu ziehen, wirst du zum Problem für die Schlafenden. Ohne dass du es willst, störst du ihre Träume, weckst du sie zur Unzeit auf. Ängstigst du sie, verwirrst du sie, erschütterst du sie in ihren Grundüberzeugungen.  


Dabei bist du nur still, wenn andere reden, redest, wo andere schweigen. Bist ein kleinwenig taktlos, manchmal zu grob und auch zu sanft. Du denkst sprunghaft, plapperst quirlig wie ein Kind, handelst konzeptlos. Tanzt, wenn andere trauern, lachst, wenn sie zornig sind, weinst, wenn dein Herz es so will. Deine Phantasien sind ganz neu und wild. Deine Pläne sprengen das Budget der Entzauberten. Dein Wille ist der des Wassers und des unaufhaltsamen Grüns. Deine Freude ist die der Vogelarien, der raunenden Baumältesten, der acht heiligen Winde und des einen goldenen Tempels.


Zu normal oder zu verrückt für diese Welt. Bleibe trotzdem. Widerstehe dem brennenden Wunsch. Erfülle den Vertrag – und achte das Gesetz in dir. Sei Ameise unter Riesen, prunkloser König unter protzenden Bettlern. Sei das Licht im Lichtermeer. Und bitte Gott, dass du dir bis ans Ende die Schuhe selbst binden kannst.


© 2021 Text und Foto: Bhajan Noam

 

 

EI ODER HUHN - Was war zuerst?


Als lockeren oder genervten Spruch – wenn wir nicht wissen, was bei einer Sachlage die Ursache und was die Wirkung war, wer der Schuldige und wer das Opfer ist oder wie die tatsächliche Abfolge einer vermeintlich erinnerten Erlebniskette verlief – werfen wir gelegentlich diese Frage als Antwort in den Raum: „Was war zuerst da, das Ei oder das Huhn?“ – Aber haben wir uns jemals ernsthaft Gedanken gemacht, was von allem die erste Ursache war, welche Kraft diesen unendlichen Kosmos mit seinen Galaxien, Sternen, Planeten, Monden und Lebewesen in allen erdenklichen Formen hervorgebracht hat und auf welche Weise dieses Wunder geschehen sein kann?


Nach meinem Empfinden gibt es da keine Abfolge, keine Kausalkette, kein Prinzip von Ursache und Wirkung. Da ist nur eine Gleichzeitigkeit, ein Hier und Jetzt, ein unablässiges und unbändiges Fließen von der Quelle zum Meer und vom Meer zur Quelle. Da ist in und über Allem nur eine unendliche Liebe, die mehr und mehr gespürt, gelebt, aber niemals erforscht werden kann. Und Ei und Huhn und alles, was wir sehen und erleben, wird in unseren Herzen einst zu Enthüllungen einer göttlichen Kraft, die uns wieder staunen und dankbar werden lässt wie Kinder. Dann wissen wir, dass unsere sogenannten wissenschaftlichen Forschungen nur hilflose Versuche waren, uns unserem Schöpfer zu nähern. Im Unterschied zum Kind fühlt sich der Erwachsene irgendwann getrennt von dieser unteilbaren Einheit, dann beginnt er zu suchen, zu forschen und sein Denken ist nichts als ein verzweifeltes Jammern nach dem verloren geglaubten Paradies, in dessen Mitte wir uns unablässig befinden.


© 2019 Text: Bhajan Noam

 

 

DIE ZEIT IST WIE EIN FLUSS VERGANGEN


Die Zeit ist wie ein Fluss vergangen. Ich habe es gesehen und auch nicht! Ich zähle meine Jahre und stelle fest, ich habe das meiste schon gelebt. So werde ich ab jetzt meine Atemzüge zählen. Ich werde die Worte auf die Waage legen, die ich sage und denen ich zuhöre. Ich habe keine Zeit für Titel, für Floskeln, für Regeln, für Urteile. Ich will mit Menschen leben, sehr menschlich.


Die die Wahrheit und unbehauene Steine lieben, sind meine Brüder und Schwestern, ungeschliffene Diamanten voller ursprünglichem Stolz. Seelen, die die Schläge des Lebens nicht verhärteten, sondern sanft werden ließen. Reife schenkt uns Intensität. Die Liebe wird eine ganz andere sein – und dafür existieren noch keine Worte, auch nicht in den Tagebüchern der Dichter.


© 2019 Text: Bhajan Noam
(inspiriert durch einen Text von André Gide)

 

 

EINE SUFI-GESCHICHTE ÜBER JESUS


Nacherzählung


Sufi-Geschichten haben Tiefe und es wird von ihnen gesagt, dass man jede auf sieben verschiedenen Ebenen verstehen kann. Auf der vordergründigen, ersten Ebene haben sie alle am Ende eine Pointe, über die man herzhaft lachen oder wenigstens schmunzeln muss. Das fehlt der folgenden Geschichte vollkommen. Vielleicht kommen einem aber Tränen – und das könnte sich als wertvoller erweisen.


Jesus war mit seinen Jüngern unterwegs auf der Landstraße zur nächsten Stadt, wo er in der Synagoge zu den Menschen sprechen wollte. Wenn sie ihn ließen. Denn meistens umringten sie ihn und wollten von diesem oder jenem Wehwehchen geheilt werden und waren an seinen Wahrheiten weit weniger interessiert.


An der Landstraße saß ein Mann, der bettelte. Als sie näher hinkamen, erhob er sich und ging auf Jesus zu. „Kennst du mich noch“, fragte er den Meister, „du hast mich vor längerer Zeit von meiner Blindheit geheilt“. „Wie geht es dir jetzt, mein Bruder“, entgegnete Jesus, „ich sehe, du bettelst immer noch, hat sich denn nichts geändert in deinem Leben?“ Da kam der Mann ganz nah heran und blickte Jesus direkt in die Augen, während er sprach: „Solange ich blind war, war die Welt doch wenigstens erträglich für mich. Jetzt, seit ich sehen kann, ist sie unerträglich geworden.“ Da nahm ihn Jesus lange in den Arm und weinte mit ihm.


Nacherzählung: Bhajan Noam

 

 

RÜCKKEHR ZUM PANCHAYAT
Fünferrat der weisen Alten

 

Panchayat ist ein Begriff, der aus Indien stammt. Er bedeutet wörtlich: Versammlung (ayat) von fünf (panch). Das Panchayat ist ein vom Dorf gewählter Fünferrat von weisen Alten, von denen jeder für einen Bereich des Zusammenlebens zuständig ist und die sich untereinander beraten und abstimmen.

Was wir in den letzten zwei Jahren erlebten, hat viele Menschen dazu bewegt, sich neu und tiefgehender oder erstmalig mit den Gebieten Gesundheit, Politik, Spiritualität/Religion zu befassen. Sie begannen Dinge zu hinterfragen, die sie für gegeben und selbstverständlich hielten oder denen sie bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten.

 

Und eines der ganz großen Themen ist für jeden - ob bewusst oder unbewusst, ob im Mittelpunkt stehend oder verdrängt am Rande: Die Form des Zusammenlebens. Wer zum Beispiel seine Liebsten plötzlich nicht mehr im Krankenhaus oder im Altenheim besuchen durfte, hat vielleicht anders über den Nutzen und Vorteil oder das Nachteilige solcher Institutionen nachgedacht. Wer Abstand halten musste, sah sich eventuell gezwungen, darüber nachzusinnen, was ihm Nähe bedeutet. Manche begannen ganz grundsätzlich über neue oder tradierte, altbewährte aber vernachlässigte Formen des Zusammenlebens zu philosophieren.

 

Die Trennung rief in vielen eine Sehnsucht nach Gemeinschaft wach. Und damit kam die Frage auf, was ist eine ideale Gemeinschaft. Was wäre für mich persönlich ideal und was könnte für die Menschen in ihrer Gesamtheit ein dienliches und würdiges Modell sein. Dieses Thema hat die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt. Bei allen großen Philosophen stand es im Mittelpunkt ihres Denkens und sie sannen über möglich Modelle nach oder erforschten dazu den Wissensschatz der Ahnen. Ich fordere heute alle Berufenen auf, im Geiste der alten Wissenden und Gottverbundenen die Zügel in die Hand zu nehmen, jeder in seinem kleinen oder größeren Bereich, und den im Morast feststeckenden Staatswagen den Weg zurück und zugleich neu auf tugendhafte und natürliche Wege zu lenken.

 

Doch ist es das schon? Was ist ein Staat? Ist er zuletzt nichts weiter als eine Zollstation, die einem Volk übergestülpt wird, um es auszunehmen? Die Zollgebühr wird einfach Steuer genannt. Wieso glaubst du, dass du den Schutz des Staates brauchst? Schützt er dich, fördert er dich? Wieviel an Kreativität geht dir verloren, wieviel an natürlicher Lebensfreude, wenn du dein selbstbestimmtes Leben aufgibst? Denke darüber nach.

 

DIE NATÜRLICHE, HEILIGE UND UNANTASTBARE EINHEIT IST DIE FAMILIE, der aller Schutz gebührt. Der Familie folgt das Zusammenleben im DORF. Und dann ist Schluss. Mehr gibt es nicht, mehr wird nicht gebraucht. - Im alten indogermanischen Bereich, von Irland bis Bengalen, gab es das PANCHAYAT, einen Fünferrat von gewählten weisen Ältesten, die die wichtigsten Belange regelten für Wohlergehen in ihrem Dorfe sorgten und für einen friedvollen nützlichen Austausch mit anderen Dörfern.

 

JAWAHARLAL NEHRU, der erste Ministerpräsident des vom Joch Englands befreiten Indiens und Mitstreiter Gandhis, schreibt in seinem Buch „Briefe an Indira“ (S.290): „Die Millionen Dorfbewohner setzen ihr Leben in der alten Weise fort. Zwar mischen sich die königlichen Beamten mehr in das dörfliche Leben ein. Die Rechte der Dorfpanachyats sind mehr eingeschränkt als früher, doch bestehen die Panchayats noch immer und sind Mittelpunkt und Rückgrat des dörflichen Lebens. In sozialer Hinsicht, und was Religion und Sitte anbelangt, ist das Dorf fast unverändert. Auch heute noch ist Indien ein Land von Hunderttausenden von Dörfern. Die Städte bilden nur die Oberfläche; das wahre Indien war und ist noch heute das dörfliche Indien.“

 

DER SCHREIBER DIESER ZEILEN, weiß von was er spricht. Er kommt noch aus diesen Strukturen, denn seine Ahnen waren über viele Generationen, urkundlich seit dem 13. Jahrhundert, Bürgermeister in Dörfern und kleinen Städten. Und ebenso waren auch Widerstandskämpfer gegen die Selbstherrlichkeit der Fürsten und sonstiger Despoten unter ihnen.

 

ICH FORDERE: Bildung, mit Herzensbildung an erster Stelle, Kultur mit der Vermittlung wahrer Werte, Spiritualität, Mitgefühl und den Willen, dem Volk bedingungslos zu dienen - als Grundvoraussetzung und Grundeigenschaften einer führenden Persönlichkeit. Zu diesen ewig gültigen Werten müssen wir wieder zurückkehren, wenn wir buchstäblich überleben wollen.

 

© 2022 Text: Bhajan Noam

 

 

Business: YOGA
 

Die Kommerzialisierung des Yoga in den letzten zwei Jahrzehnten zeigt schon jetzt ihre Folgen. Yoga ist zu einem Business geworden wie jedes andere. Nach der Ausbildung zum/zur YogalehererIn gilt es, das investierte Geld wieder möglichst schnell reinzubekommen. Man hat vielleicht noch seinen alten Job und übernimmt 'nebenher' Yogakurse an Volkshochschulen, in Fitnesscentern, Physiotherapiepraxen oder in einem eigenen angemieteten Raum. Man baut sich Druck auf, als YogalererIn möglichst bald selbständig zu werden und ist bereits schon halb im Burnout von seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten plus der Versorgung der Familie, vielleicht den Streitigkeiten in der Partnerschaft, emotionalen Achterbahnfahrten, finanziellen Sorgen, Ärger mit 'Konkurrenten auf dem Markt' usw. - Das mag einwenig überzeichnet klingen, doch in meinen Seminaren habe ich solche Geschichten leider schon zigfach gehört. Was hat das mit einer wirklichen Berufung zum/zur YogalehrerIn zu tun? Es ist tatsächlich sehr weit davon entfernt.


Es gilt, sich im Yoga wieder zurückzubesinnen auf die traditionellen Werte und Ideale. Ein Yogapraktizierender sucht sich einen Meister, lernt von ihm, lebt mit ihm und taucht so tiefer und tiefer in die spirituelle Welt ein. So entsteigt er allmählich dem Sumpf der materiell orientierten Welt, durchschaut deren Fallen und Verlockungen und nähert sich dem Licht seiner göttlichen Seele. Wenn der Meister nun meint, dass der Reifegrad erreicht ist, wo der Schüler beginnen kann zu lehren, schickt er ihn mit seinem Auftrag hinaus in die Welt. Jetzt trägt er das unvergängliche Licht der Lehre in sich und kann die Flamme weiterreichen. Der Schüler ist zu einem Kanal geworden, zu einer Flöte der Göttlichen Melodien. Jetzt ist er berufen. Er muss und wird keine Schüler suchen, die Schüler finden ihn. Das Universum kündet von ihm und die, die ein feines Gehör haben, folgen dem Ruf. - So war es in der alten Welt. Nicht anders ist es auch heute noch. Alles andere ist Maya und leidet naturgemäß an den Folgen der Verwirrung und Verblendung.

© Text: Bhajan Noam

 

 

WERDE MENSCH! - STATIONEN AUF DEM WEG

 

Mein Artikel in YOGA Aktuell


„Die alte Zeit ist vorbei, doch die neue Zeit musst du in dir selbst erschaffen.“


1. Seit Menschengedenken bis heute wurden und werden Menschen (nicht nur in Kriegen) geopfert, werden Pferde, Rinder, Schweine, Hühner oder Tauben geschlachtet aus angeblich religiösen Gründen, um einen Gott gnädig zu stimmen. Wer ist bitte dieser ominöse Gott?


Er ist die Gier, der Hass, die Mordlust in den Menschen, die immer und immer wieder gestillt werden will. - Ist sie vorübergehend gestillt, ist der "Gott" gnädig. Welch ein abscheuliches Lügengeschäft! Sie schieben eine Pseudoreligion vor und verbergen dahinter ihre finstersten Abgründe.


Und müssen wir Pflanzen verbrennen und Mantren murmeln um den göttlichen Segen herabzurufen? Was ist dieser göttliche Segen? Er ist unsere Natur - und er braucht nichts als unsere Wachheit, unsere heitere Anwesenheit. Der Segen ist immer da, Gott ist in unseren Herzen - und mehr noch. Hat er jemals ein Gebet von uns erwartet, muss ein Rauch zum Himmel aufsteigen?


Hört auf zu lügen und euch selbst zu betrügen, liebe Yogis! Gott erwartet nichts von Dir. Du bist immer angenommen, sonst wärest du erst gar nicht hier. Du bist geboren und damit auserkoren. Wenn du singen willst, singe aus reiner Freude, der Text ist vollkommen egal. Gott kann sich die vielen Sprachen gar nicht merken, die der Mensch erfunden hat. Er hört nur auf den Klang. Kommt der Klang aus dem Herzen oder vom Kopf?


Der Klang vom Kopf her ist irgendwie eigenartig, er macht Gott müde und lässt ihn gähnen. Der Klang aus dem Herzen hingegen ist immer rein und glockenhell. Gott liebt ihn und er umarmt dich noch fester, bis du ihn richtig körperlich spürst.


Und selbst das ist nur dummes poetisches Geschwätz, das dem, der gefunden hat, grell in den Ohren schallt. - Gott ist der Mitmensch, mit dem du freundlich kommunizierst, der dir als Spiegel dient und dem du deshalb immer und immer wieder dankbar bist. Gott ist anwesend im Spiel mit deinen Kindern und im Liebesspiel mit deinem Partner. Gott zeigt sich in deinen notwendigen Tätigkeiten, die aus einem heiteren Wesen fließen. Die neue Zeit wird geboren aus deinem authentischen Sein. Lebe den Frühling vor - und alles trockene und verfaulte Herbstlaub wird von frischen Winden in die Lande getragen.


Wer seine Seele an Totes vergibt, wird sterben. Wer seine Seele dem Lebendigen schenkt, wird erkennen und ewig leben.


„Tiefe Liebe kommt respektvoll und leise
Und füllt dein Herz und deine Sinne mit Freude.
Tiefe Liebe versenkt ihre Wurzeln,
Wenn Du still bist und nur zuschaust,
Wenn du sanft mit ihr atmest und klar mit ihr denkst.
Tiefe Liebe öffnet alle ihre Blüten,
Wenn du ganz das bist, was du bist: tiefe Liebe.“


2. Was bedeutet es, Mensch zu sein? Der Mensch ist ein Wesen zwischen Himmel und Erde, zwischen nichtstofflicher Seele und stofflichem Körper, zwischen einem ungebunden Träumenden und einem gebunden Handelnden. Doch er trägt ein Drittes in sich, den Geist. Der Geist ist, was ihn zum Licht hin streben lässt, was ihn gottessehnsüchtig macht.  


Sobald der Mensch aus seinen Träumen mehr und mehr erwacht und mit weltlichem Tun nicht mehr identifiziert ist, erkennt er allmählich seinen Kern und wahren Ursprung. Er wird mit Gott und in sich selbst Eins. Denn das Ziel des Menschen ist es, vom unbewusst Gewesenen und ahnend Werdenden zu einem bewusst Seienden zu erblühen. Unser ganzes Menschsein ist dazu die große Schulung.


Je weiter der Mensch in seiner Entwicklung fortschreitet, desto tiefer wächst er in die Liebe hinein. Denn er erkennt im Anderen Seinesgleichen und erkennt letztlich sich selbst in allem Sein. Deshalb kann ein bewusst gewordener Mensch niemandem schaden, er wird jeden fördern und ihn in Liebe und Freundlichkeit begleiten.


„Wir sind Menschen“ heißt, wir sind Wege von Gott gesandt zu Gott hin; und wir sind ewig Bleibende in Gott, die ihr Selbst immer tiefer erkennen dürfen.


Die Vereinzelung des Menschen ist ein kleiner bedeutsamer Abschnitt des Weges, aber nicht als Kampfplatz gedacht sondern als ein Ort des Innehaltens, des Verstehens - und einer daraus erwachenden ersten wirklichen Liebesfähigkeit. Deshalb raten uns die Meister, in die Stille zu gehen und zu meditieren. Wer in den Kampf geht, verpasst diese Möglichkeit des Aufstiegs. Wer nach innen geht, kann hier den größten Fortschritt, den inneren Frieden und die Seligkeit, erlangen.


In der Bruder- und Schwesternschaft liegt der Weg der Erlösung. Jeder Kampf hinterlässt nur Verlierer. Jede Liebesverbindung aber, mit Bewusstheit eingegangen, erzeugt die wahren Helden und Sieger in der langen Menschheitsgeschichte. Erinnern wir uns beständig, dass wir Menschen sind, Strebende zum Licht!


„Wir hatten einmal ein Paradies, und wir wussten es nicht.
Wir wollten reicher werden und wollten nicht mehr arbeiten,
doch wir hatten zuvor die Worte Reichtum und Arbeit gar nicht gekannt.
Wäre es dabei geblieben, wäre uns der Schweiß noch heute heilig!
Wir wissen nichts vom Paradies und preisen die Hölle.
Wir wissen nichts vom Menschen und lieben die Maschinen.
Doch es bohrt eine Angst in uns, die wir zu wenig verstehen.“


3. Yoga führt den Menschen zurück zu sich selbst. Und Yoga ist etwas, was jeden Moment stattfinden kann. Nicht nur, während man Asanas übt. Yoga ist Bewusstheit, Präsenz, somit kann der ganze Tag, kann jede Handlung Yoga sein. Und dann brauchen wir keine komplizierten Übungen mehr. Bewusstheit reicht aus, um uns nach und nach zu verändern, zu öffnen, frei zu machen, entspannter leben zu lassen, spielerischer die Dinge anzugehen, den Ernst, der uns eng macht und ängstlich, fallen zu lassen.


Stattdessen sind wir mit Wachheit und Freude in allem Tun dabei. Freude und Wachheit bringen gemeinsam den richtigen Tonus in Körper und Geist, einen dynamischen Tonus zwischen Entspannung und Anspannung. Prana fließt und hält unseren Körper und Verstand geschmeidig. Yoga ist für mich, aus den vorgefertigten Mustern hinauszuspringen, in der eigenen Lebendigkeit anzukommen und kreativ sowie eigenverantwortlich sein Leben zu gestalten.


Das gelingt uns zunehmend, je wacher wir werden und das Geschehen in uns und um uns immer klarer sehen und erleben lernen. Das sind aktive Prozesse. Durch Präsenz wird Yoga zu einer großen Kraft und Macht. Eine Macht aber, die demütig daherkommt. Eine Kraft, die nicht rohe Gewalt ist, sondern feinfühliges Gestalten.


Erwarte im Yoga nicht Sensationelles. Es sind nicht die Höhepunkte, sondern die täglichen kleinen Schritte und Erlebnisse, die uns letztlich Zufriedenheit schenken, dauerhafte Zufriedenheit. In der Schöpfung wird alles für uns bereitgehalten. Somit ist die höchste Yogastufe ein schlichter Yoga des freudigen und dankbaren Empfangens.


„Freude ist keine Eigenschaft, Freude ist die Qualität des Lebens.
Je lebendiger wir sind, um so freudiger werden wir sein,
je unlebendiger, desto trauriger und deprimierter.
So weißt du stets, ob du mit dem Leben im Einklang bist
oder ob dein Lebensfluss irgendwo stagniert.“


4. Die derzeitige wissenschaftliche Vorstellung von einem Bewusstsein suggerieret uns, dass es einmal in Urzeiten kein Bewusstsein gab und dass es sich so nach und nach im Laufe der Evolution entwickelt hat. Das ist grundlegend falsch. Bewusstsein gab es schon immer und wird es immer geben. Denn Bewusstsein ist die Ursubstanz von allem. Für den immer materialistischer gewordenen Menschen aber, wenn er sich überhaupt dazu Gedanken macht, ist es so etwas wie Amerika, es wurde irgendwann entdeckt.


Amerika gab es auch schon vor seiner Entdeckung, wie es das Bewusstsein gab, bevor der erste Mensch sich seiner selbst und seines Ursprungs bewusst wurde. Die Entdeckung geschah und geschieht in Wellen und immer ganz individuell. Es gibt zwar auch ein von Zeit und Raum abhängiges kollektives Bewusstsein, das jedoch nur einen von äußeren Faktoren bestimmten Prozess darstellt, der alleine den Verstand und das Gedächtnis betrifft, nicht aber eine davon jenseitige, unabhängige und ewig währende Präsenz meint.


Die Geschichte des Bewusstseins beginnt immer dann ganz neu und einzigartig, wenn ein meditierender Mensch Vergangenheit und Zukunft hinter sich lässt und in diesen Augenblick eintritt, in das goldene Hier und Jetzt, das auch Ewigkeit genannt wird. Dieses Hier und Jetzt ist wie ein eilig vorbeirauschender Fluss, stets frisch, noch nie dagewesen, unbekannt – unerforschbar, unkennbar. Dem Verstand verwehrt es den Eintritt, dem innersten Herzen aber steht es jederzeit offen. Bewusstsein ist das Innerste unseres Herzens und zugleich das Innerste aller Herzen.


Ein Mensch, der regelmäßig meditiert, begibt sich auf eine Reise ohne Wiederkehr in das strahlende Land des Bewusstseins. Nach und nach verlassen ihn die dunklen Begierden und sein anhaftendes Denken und Handeln. Der Mensch der Meditation wacht eines Tages auf, reibt sich die Augen und erinnert sich seines ewigen Zuhauses. Dann will er so schnell wie möglich ankommen, nichts kann mehr seinen Weg verstellen. Ihn zieht es zurück in sein Leben, in sein wahres, tiefstes, bisher verborgenes ureigentliches Leben.


Lasse die Geschichte des Bewusstseins heute zu deiner Geschichte, zu deinem Abenteuer werden. Verschwende keine Zeit und keine Kraft mehr an Profanes. Folge der Melodie der Ewigkeit in deinem Herzen. Folge dem leisen, süßen Rufen. Überwinde alle Hindernisse, sei stark, sei unbändig, sei voll von gutem Willen. Begib dich auf die Reise in das Land deiner Seele, in das weite, klare Land des Vergessens und des Wissens. Gewissheit ist die Vorstufe des Bewusstseins. Bewusstsein aber ist ein Nichtwissen, ein schlichtes, vertrauensvolles Sein. Es ist die Erlösung, die Gnade und letztlich das Unaussprechliche.


„Zur geistigen Gesundung gehört, dass du trotz jahrelanger Indoktrination durch ihrerseits indoktrinierte Eltern, Lehrer, sog. Geistliche, Politiker, Medienmacher usw. irgendwann beginnst, eigenständig zu denken und über dieses Denken deine eigenen Erkenntnisse von der Welt, wie sie wirklich ist, gewinnst. Erziehung ist, in dem Sinn, ein Test für die Widerstandskraft des ursprünglichen klaren Geistes, der jedem Wesen innewohnt.“


© Text:  Bhajan Noam

 

 

Der Yogi und die Tränen des Teufels


Dass der Teufel einem Yogi begegnet, ist keineswegs ein alltägliches Ereignis. Yogis halten sich ja für gewöhnlich in anderen Gegenden dieses spirituellen Kosmos auf als jener Hexenmeister. Doch in dieser Geschichte werdet ihr hören, wie es einmal geschah.


Eines Tages war der Teufel irgendwie von seinem Weg des Bösen abgeirrt und stand plötzlich einem leibhaftigen Yogi gegenüber. Dieser legte die Hände zusammen, schaute dem Fremdling gütig in die Augen und verneigte sich vor ihm, wie er es stets zu tun pflegte, wenn ein Wesen seinen Pfad kreuzte. „Du betest mich an?“ fragte der Teufel leicht verunsichert – dennoch mit seinem unüberhörbaren, altbekannten Spott. „Ich bete niemanden an“, antwortete der Yogi gelassen, „ich verneige mich bloß vor dem göttlichen Licht, dass ich soeben in deiner Seele erblickte. Möchtest du nicht genauso höflich sein und auch mich auf diese traditionelle Weise begrüßen? Es könnte förderlich für dein Karma sein.“ – „Karma... ?“ lachte der Teufel heiser. „Du bist wirklich ein lustiger Geselle. Weißt du denn nicht, dass ich es bin, der das Karma erfunden hat?“ – „Verzeih mir und lass mich ehrfurchtsvoll deine Füße berühren“, entgegnete darauf der Yogi. „Du scheinst mir fürwahr der große Weise zu sein, dem ich immer schon begegnen wollte.“


„Versuchst du etwa, mich im Spotten zu übertreffen, du Zwerg? Wisse drum, ich bin niemand geringerer als der Teufel höchst persönlich!“ – Ungerührt von den Worten des Teufels sagte der Yogi sanft: „Jeder glaubt jemand zu sein in dieser vergänglichen Welt, das ist in Ordnung und beruhigt das Gemüt. Wird dieser Glaube aber nur ein wenig angezweifelt, erregt es eher das Gemüt. Was gleichzeitig beruhigt und erregt, kann nicht von Bestand sein. Name, Beruf, Besitz und Rang bieten keine Sicherheit, denn wir können sie in jedem Augenblick verlieren.“ Der Teufel kratzte sich mit seinen krummen Fingernägeln zwischen den Hörnern und schien einem Moment lang sichtlich bemüht, die Worte des Yogis verstehen zu wollen. Doch dann lachte er laut heraus: „Der Teufel ist und bleibt, ganz ohne Zweifel, in alle Ewigkeit der Teufel!“


„Alles Erschaffene vergeht. Und du bist nicht einmal erschaffen!“ erwiderte der Yogi. „ Du bist nur ein Gedanke. Eine Metapher. Eine Machtphantasie, der Traum vom Besonderssein.“ Der Yogi ließ sich auf einem Stein nieder und schloss die Augen. „Was redest du?“, kicherte der Teufel hysterisch. „Glaubst du, indem du die Augen verschließt, könntest du mich in ein Nichts verwandeln?“ – „Ob ich die Augen offen oder geschlossen halte, ich sehe nur Gott“. – „Oh, du armer Wicht!“ prustete der Teufel heraus. „Wie das Karma und die vielen anderen heiligen Lügen so ist auch Gott nur eine Erfindung von mir“. – „Ich weiß, mein Freund. Doch der von dir inthronisierte und institutionalisierte Gott hat nichts mit meinem Gott gemein“. – „Was sagst du da“, schrie der Teufel, „willst du behaupten, es gäbe einen anderen Gott als den von mir erdichteten?“ – „Du weißt es. Denn er ist es ja, der dich dichten, lügen und erfinden lässt in seinem Langmut. Aber ich will dir gerne einen unwiderlegbaren Beweis liefern“.


Der Yogi richte sich gerade auf und blickte dem Teufel unverwandt in die feurigen und unruhig umherwandernden Augen. „Erwidere meinen Blick und weiche ihm nicht aus. Du scheinst Angst zu haben. Überwinde sie und schaue mich an. Wenn dir dabei keine Tränen kommen, dann gibt es nur dich und deinen selbst erschaffenen Götzen. Doch kommen dir die Tränen, dann muss ich dir die Existenz des Göttlichen nicht mehr beweisen, dann hast du es bereits verstanden“. Der Teufel fluchte und knurrte, er zog schreckliche Fratzen und blies schwarzen Rauch aus seinen Nüstern. Doch er spürte, dass bei diesem Yogi die ganze Zauberkunst und Wildheit ihm nichts halfen. Auch fühlte er sich tief in seiner Eitelkeit gekränkt. So brachte er allen Ehrgeiz auf, um den Blick des Yogis standhaft zu erwidern.


Ihm wurde schwindlig. Er glaubte brausende Musik aus seinem bisher kalten Herzen zu hören. Er hielt den heißen Atem an und starrte mit all seiner schwindenden Macht in dieses Augenpaar, das ihn so klar, so heiter und so ruhig anstrahlte. Er versuchte des Speichels Herr zu werden, der aus seinen Lippen rann und den er nicht mehr schlucken konnte. Er wand sich und stöhnte grauenhafte Ewigkeiten lang. Und dann... tropfte die erste Träne aus seinem linken Auge und das rechte schloss sich an. Ein Damm war plötzlich und unwiederbringlich gebrochen. Der Tränenstrom schoss ungehemmt und die Liebesglut floss gleich Lava. Ein neues Lied wurde geboren, fürs Erste mehr krächzend als melodiös dennoch so rein, so wahr, so kindlich und freudig!


Der Yogi stand auf, verließ den Stein und ging in die Wälder. Er tanzte nicht, er sang nicht, er lachte nicht, er jubelte nicht und war auch nicht schweigend.


© Text: Bhajan Noam


 

DIE SONNE und DER MOND


Die deutsche Sprache ist so ziemlich die einzige Sprache, in der es nicht Der Sonne und Die Mondin heißt (wie z.B. in allen lateinisch geprägten Sprachen). Und das hat seine Logik, wenn wir es von den Ergänzungen her betracheten: Die Sonne - Der Tag, Der Mond - Die Nacht. Es sind jeweils sich ergänzende Paare. - Gehen wir nun in die Etymologie und in die nordische Götterwelt:


Der altnordische Name Sól bedeutet Sonne, genau wie das althochdeutsche und altsächsische Sunna. Sól wird in der Edda aus dem 13. Jahrhundert genannt und beschrieben. Sunna wird im zweiten Merseburger Zauberspruch aus dem 10. Jahrhundert erwähnt.


Sól/Sunna sind dabei weiblich, während der gleichnamige römische Sonnengott Sol männlich ist.


Sól ist die Tochter des Mundilfari und der Göttin Eir, Schwester des Mondgottes Máni und Gattin des Glenr. Die Sonne selbst wurde von den Göttern aus einem Funken erzeugt.


Sól fährt mit dem Sonnenwagen über den Himmel, gezogen von den Pferden Arvakr (der Frühwache) und Alsvidr (der Allgeschwinde). Der Schutzschild Swalin schützt den Wagen vor der Sonnenhitze. Das Gespann wird unablässig von dem Wolf Skalli (Skoll) verfolgt. Am Tag des Weltunterganges (Ragnarök) wird Skalli die Sonne einholen und verschlingen. Doch gebiert Sól eine Tochter, schöner als sie selbst, die in der neuen Welt weiterscheinen wird.
(Wikipedia)


Mani (altnordisch Máni „Mond“) ist in der nordischen Mythologie der Gott des Mondes.


Er ist ein Sohn des Riesen Mundilfari und Bruder der Sonnengöttin Sol. Weil Mundilfari seine Kinder wegen ihrer Schönheit nach Sonne und Mond benannte, setzten die Götter sie als Wagenlenker dieser Gestirne ein. Mani fährt deswegen mit einem von Pferden gezogenen Wagen über den Himmel. Seine Begleiter sind Bil („die Abnehmende“) und Hjuki („der zu Kräften Kommende“), die beiden Kinder von Vidfinnr. Mani nahm die beiden zu sich, als sie vom Brunnen Byrgir kamen. Sie halten den Eimer Sägr (altnordisch Sægr) und die Stange Simul in der Hand und sind als Mondflecken im Mond zu sehen.
(Wikipedia)


Der Bruder von Sol ist der Mondgott Mani. Während in den meisten Mythen anderer Völker von einem Sonnengott gesprochen wird und das Wort für Sonne meist männlichen Geschlechts ist, ist in der germanischen Mythologie die Sonne weiblich, der Mond männlich.


Mani ist auch ein Gott in der nordischen Mythologie. Mani gilt in der nordischen Mythologie als der Gott des Mondes, also als Mondgott. Mani heißt auf altnordisch Mond. Mani ist der Sohn eines Riesen Mundilfari und der Bruder der Sonnengöttin Sol. Meistens sind ja die Mondgöttinnen weiblich und Sonnengötter sind männlich, aber Mani ist eben der Gott des Mondes und seine Schwester war die Sonnengöttin Sol.


Zusammengestellt und ergänzt: Bhajan Noam

 

 

DIE BEDEUTUNG VON WIRKLICHEM YOGA


Yoga bedeutet Frieden, innerer Frieden, der die äußere Harmonie nährt. Yoga bedeutet Erkenntnis, beständig fortschreitende Erkenntnis, die ein letztendliches Erwachen vorbereitet. Yoga bedeutet Hingabe, entblößte Hingabe an alle Ausdrucksformen des Seins, die den Vertrauensvollen allmählich zum Erleben der Einheit führt. Yoga bedeutet Weisheit, Weisheit, die ein Nichtwissen ist und welche in tiefster Verbundenheit mit der Melodie des Augenblicks schwingt. Yoga bedeutet Liebe, Liebe in ihrem reinsten Ausdruck, die als ungebundene, stets alles mit einbeziehende, nährende und wärmende Freundlichkeit sich zeigt. Yoga bedeutet Freiheit, eine die kosmischen Gesetze achtende Freiheit, welche konstruktive Unabhängigkeit und kreative, von Weisheit getragene Macht verleiht. Yoga bedeutet Heilung, Heilung auf allen Ebenen dieser Schöpfung, Heilung, die Umkehr und Heimkehr bedeutet, Heilung, die ein schlichtes sich Ergeben gegenüber dem Göttlichen Ganzen, ein sich Einfügen in den großen harmonischen Plan ist.


Yoga bedeutet in seinem subtilsten Spiel: Du bist nichts als der Tanz des Göttlichen, seine Freude, seine Liebe, sein heiliger Schöpfungsdrang; du selbst bist das Göttliche, das spielt, vergisst und sich erinnert; du bist Bewusstheit und gar noch Unausdrückbares jenseits davon; du bist Wonne, die nichts und zugleich alles empfindet und weiß, die die Lenkerin ohne Lenken, die Planerin ohne Planen ist - ja, du bist die Herrlichkeit und Wonne, welche diese Liebende ohne ein Gegenüber, alleine in sich selbst, in ihrem heiligen Rosengarten ist. Yoga bedeutet Respekt, Respekt sich selbst und der Heiligkeit der allesdurchdringenden Lebendigkeit gegenüber, Respekt, welcher sich durch ein Annehmen der Gnade und in einem Empfinden von Dankbarkeit äußert. Yoga bedeutet Sensibilität, ein wachsendes Feingefühl für den eigenen Körper und die Körper anderer, für die eigene Seele und die Seele anderer, für die eigene Heiligkeit und Unverletzbarkeit und die Heiligkeit und Unverletzbarkeit anderer, für das Große Leben, das als eine unfassbare, nie endende Symphonie im eigenen Innersten und im Innersten aller Mitwesen erklingt; Respekt gegenüber der Lehre und den Meistern der Lehre, gegenüber allen, die der Lehre folgen und besonders denen gegenüber, welche sie noch aus mangelndem Verständnis heraus ablehnen.


Yoga ist dieser Augenblick, der vollkommen von dir ausgekostet werden will, dieser Atemzug, der seine ganze Kraft in dir entfalten möchte, dieses Seelenschwingen, das einer lieblichen Blüte im Wind und dem zarten Lied eines Vogels gleicht, dieser Gedanke, der mit seiner Klarheit dich zu erleuchten vermag, diese Begegnung, die ein kristallener Spiegel deines Bewusstseins ist, diese deine Reaktion, die als Lehrerin deiner Wachheit an deiner Seite steht und immer wieder zu dir kommen wird; diese Angst, dieser Schmerz, dieses Leiden, die in Wahrheit sich langsam öffnende Tore zur Seligkeit sind. Und Yoga ist dein ganzes Leben, wie es ist, denn in Wahrheit ist es unmöglich, unbewusst zu sein. Du bist es. DU bist ES. Yoga ist die Brücke, die von der Dunkelheit ins Licht, von der Unwissenheit zum Wissen, vom Tod zum ewigen Leben führt. Und Yoga ist der Siegespfeil jedes mutigen Helden, der am Ende einzig und allein sich selbst besiegt. OM Tat Sat.


© 2022 Text und Foto: Bhajan Noam

 

 

 

VISIONEN FÜR EINE NEUE WELT

 

Mein Artikel in YOGA Aktuell

 

Wir befinden uns in einem großen Wandel, den langsam jeder zu spüren bekommt,

ob in positiver oder negativer Weise. Dieser Text möchte eine kleine 

Nachdenk- und Reinspürhilfe sein. Nachdenken über und Reinspüren in sein bisher

gelebtes Leben. Der Wandel geschieht unvermeidlich. Gehe ich mit in eine lichtvolle Zeit

oder glaube ich noch, das doch alles in Ordnung ist und klebe am gewohnten Alten fest? 

Einfachheit, Teilen und Schenken, innerer Reichtum und rückgebundene Intelligenz

sind die Charaktermerkmale der Menschen, die jetzt die geistige Evolution in sich vollziehen.

 

 

Die hohe Kunst der Einfachheit

 

Ein kompliziertes Leben zu führen, ist keine Kunst. Man gerät, wenn man sich allen Strömungen und Begierden überlässt, ganz von alleine hinein. Eine hohe Kunst hingegen ist es, sein Leben schlicht zu gestalten. Die höchste Kunst überhaupt! Denn es erfordert Achtsamkeit, Sensibilität, Intuition und ein großes Maß an Intelligenz. Einfachheit ist in ihrem Gipfel Weisheit. – Einfachheit heißt, wieder nach Hause in die Einheit zurückzukehren, sich der allumfassenden Liebe preiszugeben, sich in Freundlichkeit mit allem verbunden zu fühlen. Das klingt schön, doch der Weg dorthin hält etliche Stolpersteine und Fallen parat. Der "allmächtige" Verstand wird immer wieder intervenieren, weil er seine Ohnmacht fürchtet, weil er um seine Armseligkeit weiß. Zur Einfachheit finden heißt zunächst, alle Tricks des Verstandes und alle vermeintlichen Verlockungen und Versprechungen der Maya zu durchschauen. 

 

Einfachheit heißt deshalb auch, keine interessanten Geschichten um sie herum zu spinnen, sie auf keinen Marmorsockel zu stellen, sie nicht zu etwas Unerreichbarem, an dem ein Verstand dann wieder seine billige Freude entwickelt, zu erheben. Einfachheit ist das Schlichteste der Welt. Einfachheit... ist so einfach, dass du an ihr vorbeiläufst, wenn dir der Meister oder das Leben nicht ein Bein stellt, um dich mit ihr in Berührung zu bringen. – Essen, wenn man hungrig ist, schlafen, wenn man müde ist, hinfallen und ohne zu lamentieren wieder aufstehen ist Einfachheit. Die gesamte Natur macht uns diese Einfachheit vor. Ein Grashalm, der beleidigt wäre, weil du auf ihn trittst, müsste sterben. Er hat keine Zeit, beleidigt zu sein, er ist ganz mit dem Leben beschäftigt. So richtet er sich rasch wieder auf in der Sonne, genießt den Wind, trinkt den Regen, grünt und wird Samen tragen, die ihn verewigen. 

 

Noch einmal mit etwas anderen Worten: Einfachheit heißt, in Wachheit mit seinem ganzen Leben, mit allen Sinnen ohne Widerstand mitzuschwingen in diesem Universum, jene tiefste Quelle in sich ergründet zu haben, aus der alles kreative Potential seit Urbeginn schöpft. Ein Mensch mit einem solchen Geist ist wahrhaftig frei und immer freudig!

 

 

Teilen und Schenken verändert das Gesicht der Welt

 

Intelligenz und Freundlichkeit, Herz und Hirn, 

sind unser wahres Potential in diesem Leben  – 

darüber hinaus sind wir alle besitzlos. 

 

Was wir scheinbar an materiellen und an geistigen Gütern zu besitzen glauben, entspringt nicht unserer Leistung sondern dem Schicksal, es ist uns zugeflossen. Und damit kam uns auch die Pflicht und Gnade zu, es weiter zu mehren, um es mit allen teilen zu dürfen. 

 

Teilen öffnet unser eigenes Herz wie auch das Herz des Empfangenden. Es macht uns empfänglicher, sensibler. Verschenken hält uns in dieser materiellen, scheinbar starren Welt lebendig und mit der Existenz in Fluss. Darum ist es nach außen wie nach innen hin ein revolutionärer Akt. Es verändert Tropfen für Tropfen unser eigenes, wie auch das kollektive Bewusstsein. 

 

Schenken und Teilen sind die Medizin, die uns wieder gesunden lässt von der seelischen Vereinsamung, die uns in die natürliche Ganzheit des Seins zurückbringt. Gib mit Freude jedem Bittenden, der dich anspricht. Er ist ein Bote Gottes und gewährt dir eine Chance zu wachsen. Erniedrige ihn nicht durch eine ablehnende, zurückweisende Haltung, verletze ihn nicht durch mürrisches Geben. Du erniedrigst dich selbst damit. Sieht er aber deine Freude beim Geben, spürt er bald in sich ein gleiches Verlangen nach dieser Freude, und er wird alle Anstrengungen unternehmen, seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Praktiziere dieses göttliche Gebot und dein Leben wird nach und nach unbekümmerter werden. Und noch so manches andere Wunder kann geschehen.

 

In ebensolcher Weise sollte auch ein redlicher Lehrer seinen Schülern das Wissen weitergeben. Er teilt es mit ihnen voller Respekt und in dem Bewusstsein, dass der Same längst in jedem vorhanden ist, dass nur sein Keimen noch zarter Unterstützung bedarf.

 

Teilen und Schenken sind heilsame Handlungen für unser Herz, für unseren Geist und damit auch für unser körperliches Wohlbefinden und für das Wohlergehen der ganzen Welt. Sie erzeugen Frieden, Harmonie und Gerechtigkeit. Sie wandeln Lieblosigkeit in Güte, Überheblichkeit in Demut, Stolz in Bescheidenheit, Gefühlskälte in Herzenswärme, Ignoranz in Weisheit. 

 

„Gib den Bedürftigen, heile die Kranken oder spende ihnen Trost, behüte die Schutzlosen und spende auch geistige Nahrung und spirituellen Segen nach deinem Vermögen. Verbreite bei alldem deine Freude und Begeisterung.“ Das sagten und forderten immer wieder alle großen geistigen Führer. In diesen Handlungen liegt das Potential, in Kürze jedes Schlachtfeld in einen paradiesischen Garten zu verwandeln.

 

 

Reichtum 

 

Unser Leben sollte reich sein, nicht ärmlich. Wir sollten aus dem Vollen schöpfen, wie es die weite Natur uns vorlebt. Im gesamten Kosmos entspringt übergroßer Reichtum der unbegrenzten Schöpferenergie. In jedem Moment weitet sich der Raum, werden neue Sterne geboren, explodiert das Leben, wo immer wir hinschauen. 

 

Jede Form von Reichtum können wir genießen. Doch welche ist uns wirklich zugedacht, welche dient unserem Fortschritt, unserer spirituellen Evolution? Sollen wir nach Geld, Besitz, Anerkennung, Macht und Einfluss suchen? Diese Ziele sind erreichbar, doch sie müssen mit harter Währung bezahlt werden. Entweder müssen wir dafür eine Tätigkeit verrichten, die unsere eigene Gesundheit oder die unserer Mitmenschen und der Umwelt zerstört, oder wir müssen uns in irgendeiner Form prostituieren und verletzen dabei unsere Seele und die Seelen anderer. Und was wir am Ende dafür erhalten, ist nur ein sehr billiger Ersatz für das Eigentliche, nach dem wir uns im verborgenen Winkel unserer Seele sehnen.

 

Ein auf äußeren Reichtum oder Einfluss ausgerichtetes Leben ist in Wahrheit sehr arm. Und dennoch muss die Menschheit auch diesen Weg – als einen der vielen Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Persönlichkeit – anstreben und zu Ende gehen. Er ist eine bedeutsame Schulung für die Bewusstwerdung. Es ist das Studium der Vergänglichkeit und Leerheit allen Seins. Erst nach dieser Erfahrung wird das Suchen sich von den breiten Straßen zu den kleinen, zunächst unscheinbar aussehenden Pfaden nach innen kehren. 

 

Ein einfaches, natürliches, auf Liebe und Mitgefühl basierendes Leben ist in heutigen Tagen ein großer Luxus, der größte Luxus überhaupt, denn ein solches Leben ist fast nirgendwo mehr zu finden, nicht bei den Reichen und nicht bei den Armen. Beide leben in Elend, die einen in physischem, die anderen in psychischem und beide in spirituellem Elend.

 

Suche mit all deiner Kraft und Inspiration dieses einfache Leben. Wenn du es für dich entdeckt hast, wirst nicht nur du selbst zufrieden, glücklich und überaus reich beschenkt sein, du beschenkst und beglückst damit auch die Welt. Sogar die Sterne werden heller funkeln! Für viele wird die Nacht heller sein und das innere Dunkel schwinden. Etwas von ihrer Blindheit wird ihnen durch dich genommen. Wer seinen inneren Reichtum entdeckt, entdeckt ihn niemals nur für sich alleine. Er offenbart damit auch immer anderen etwas von ihrer eigenen Fülle, von ihrem inneren Licht, von ihrer bisher nicht gelebten Seligkeit.

 

 

Intelligenz ist unser großes Potential

 

Intelligenz ist unser großes Potential in diesem Leben – und darüber hinaus. Die Kraft, die den gesamten Kosmos bewegt, in Schwung hält, erneuert und wieder zerstört, ist pure Intelligenz und steht auch uns stets zur Verfügung!

 

Als „normaler“ Mensch denken wir, intelligent genug zu sein. Wir müssen nichts verändern, wir kennen uns gut aus in unserer kleinen Welt. Wir fühlen uns verletzt, wenn jemand unsere Intelligenz anzweifelt. Und ist das nicht Indiz genug, dass da ein Mangel herrscht? Ein intelligenter Mensch ist auf natürliche Weise selbstsicher. Er ruht in sich und agiert aus seiner unerschöpflichen inneren Kraft, in Verbundenheit mit dem Allgeist.

 

Intelligenz sollte nicht mit Intellekt verwechselt werden. Ein Intellektueller kann tausende von bedeutungslosen Daten und Ereignissen mechanisch wiederkäuen. Das sind nur Zirkusnummern, die nichts mit dem wirklichen Leben zu tun haben. Wissen ist nützlich, um in dieser komplexen Welt zurechtzukommen. Aber es ist vollkommen überflüssig und hinderlich auf dem inneren Weg zum Göttlichen.

 

Intelligenz schöpft aus dem Ganzen! Intelligenz kann man nicht lernen und auch nicht jemandem eintrichtern, sondern nur geschehen lassen. Das Einzige, was es zu „lernen“ gilt: Sie ist bereits da, in uns und um uns – überall ist sie tätig! Und sie ist nicht statisch, nicht mechanisch, sie ist überaus lebendig und dynamisch.

 

Empfangene Intelligenz macht uns autark, unabhängig und vollkommen frei! Sie gibt uns unsere innere Selbständigkeit zurück. Und sie nimmt uns die Hilflosigkeit, die Bedürftigkeit, die Abhängigkeit und Scham. Intelligenz macht uns sensibel, mitfühlend und liebevoll. Intelligenz macht uns lebendig, vielseitig und kreativ.

 

Ein Tipp vielleicht: Einfach die beiden letzten Sätze umkehren: Seid liebevoll, mitfühlend und sensibel, seid kreativ, vielseitig und lebendig! Dann kommt auch die Intelligenz. Ganz sicher!

 

 

© Text: Bhajan Noam

 

 

ADAM UND EVA

 

Adam und Eva – das größte Missverständnis der Geschichte

Wieviele hunderttausend Schriften und Auslegungen, wieviele Künstler, Maler, Dichter, Komponisten haben sich schon dieses berühmten Bibelthemas angenommen! – Aber der zeitgenössische Mystiker, in dem Fall ich, setzt dem noch eins drauf. Denn ich denke, es ist genug mit der Irreführung und den Missverständnissen.

 

„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan. – Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen zu eurer Speise. – Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu Essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. – Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten, dass er ihn bebaute und bewahrte. Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst Du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben.“ 1. Mose 1:27,28 / 1:29 / 2:9 / 2:15-17

Zu allererst einmal sollten wir die Bibel stets mit einem klaren Blick und auch mit einem gewissen Maß an Humor betrachten. Du kannst sicher sein, Gott hat eine ganze Menge Humor, also muss auch sein Abbild ihn zeigen. Deshalb vorweg ein kleiner Witz:

Ein ungläubiger Jude betet in der Synagoge und weint. "Was heult Ihr, da Ihr doch gar nicht an Gott glaubt?" fragt ihn einer. "Es gibt zwei Möglichkeiten", entgegnet der weinende Atheist, "entweder bin ich im Unrecht und es gibt Gott dennoch – dann hat man schon allen Grund, vor ihm zu klagen und zu weinen. Oder aber ich habe Recht und es gibt ihn nicht – dann hat man erst recht Grund, darüber zu weinen."

 

Auch bei der Geschichte von Adam und Eva gibt es zwei Möglichkeiten, entweder man nimmt sie wörtlich und ist irritiert und hilflos oder man versteht sie und hat einen Nutzen davon.

 

Gott sagte, nachdem er Adam und Eva den wunderschönen und ganz vollkommenen Garten Eden gezeigt hatte, dass sie von allen Früchten essen sollen, dass sie alles genießen dürfen, nur von den Früchten zweier Bäumen sollen sie sich fernhalten. Bei all der Pracht und Vielfalt an Genüssen hätten Adam und Eva entspannt reagieren können: Ok, dieser ganze Garten ist für uns. Es gibt da nur zwei Bäume mit Früchten, die sich Gott vorbehält. Klar, die gönnen wir ihm. Hat er nicht alles so prachtvoll für uns gestaltet!

Aber stattdessen wurde eine Gier in ihnen wach, ein neidvoller Gedanke drang in ihr Wesen ein. Kein paradiesisches Wohlwollen sondern irdisches besitzen wollen. Gedanken sind Energie. Irdische Energie wird in vielen Kulturen als Schlange dargestellt und tatsächlich übersinnlich als solche wahrgenommen. Ein irdischer Gedanke erschien beiden plötzlich in Form der Schlange. Es war aber nicht mehr als ein warnendes Bild, das besagte: hier begebt ihr euch in ein Energiefeld, das euch nicht guttut.

Gott hatte aber Adam und Eva in Wahrheit keine verbotenen Bäume im Garten Eden gezeigt, dort gab es nichts Verbotenes. Er hatte ihnen eine Vision von zwei Bäumen auf der Erde gezeigt, die ihnen hilfreich sein würden, falls sie sich aus dem Garten entfernen sollten und sich hinab zur Erde begeben. Den Baum der Erkenntnis und den Baum des ewigen Lebens hat Gott symbolhaft in diese unsere Welt gesetzt, um uns zu erinnern, wie wir wieder zurückzufinden zu ihm. Im Paradies sind sie nutzlos, dort sind wir auf ewig mit allem versorgt. Doch in der materiellen Welt leiden wir Mangel an Liebe, an Freude, an Gesundheit und vor allem an wahrem Wissen. Der Baum der Erkenntnis fordert uns auf nach unserem wahren Ursprung zu forschen. Und der Baum des ewigen Lebens erinnert uns an unser ewiges Sein.

 

Aber Adam und Eva hatten nicht verstanden, was Gott meinte. Sie waren zwei wunderschöne Wesen, frei von Sorgen, aber auch gänzlich unwissend. Das Paradies war ihnen eine Selbstverständlichkeit. Deshalb mussten sie in diese materialistische Welt eintreten, um den Unterschied zwischen Nähe und Ferne zu Gott zu erfahren. Und das ist der Weg eines jeden Menschen. Wenn wir ihn verstehen, ist es der Weg der Weisheit, wenn wir ihn nicht verstehen des Leidens. Lasst ihn uns mit wachsendem Erkenntniswillen, mit Liebe, Solidarität und ab jetzt auch mit etwas mehr Humor beschreiten.

Alle biblischen Geschichten finden hier und heute statt, in uns, nicht außerhalb von uns, und in keiner fernen Vergangenheit. Wer das versteht, kann mit ihnen tatsächlich etwas anfangen: ein bewussteres Leben. Amen.

 

 

Der Baum der Erkenntnis

 

„Wenn ihr von den Früchten des Baumes der Erkenntnis esst, werdet ihr sterben.“ - Was sagt uns Gott tatsächlich damit?

Dann nahm der Ewige, Gott, den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewache. Und der Ewige, Gott, gebot dem Menschen und sprach: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen; aber vom Baum der Erkenntnis, von dem sollst du nicht essen, denn an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben.“ (1. Buch Moses 2.15-17)
 
Gott zeigte dem Menschen alle Herrlichkeit und alle Wunder, die er für ihn erschaffen hatte, er präsentierte sie ihm wie ein Liebender dem Geliebten Wesen. Er sagte: „Bediene dich, das alles gehört dir. Genieße das Leben mit Liebe, Hingabe und aus vollen Zügen.“ Er ging mit dem Menschen einen ganzen Tag spazieren Hand in Hand. Am Abend aber gelangten sie zu dem aller schönsten Baum des Gartens, dem Baum der Erkenntnis. Gott hielt eine Weile inne und schwieg. Er wurde nachdenklich, ja, es schwang eine Traurigkeit durch Eden. Und er sagte zu dem Menschen: „Wenn du aber von diesem Baum, dem Baum der Erkenntnis, isst, wirst du sterben.“
 
Gott sprach kein Verbot aus, wie uns seit Jahrhunderten die Priester und Theologen einreden wollen. Gott machte eine schlichte Aussage. Die verstand aber weder der Mensch an seiner Seite, noch irgendeiner der Millionen Schriftgelehrten nach ihm. Was meinte Gott damit? Gott sagte zum Menschen: „Lerne diesen Garten, den ich aus bestimmten Gründen erschaffen habe, kennen. Besuche alle seine Winkel. Berausche dich an seiner Vielfalt, an seinen Farben, Gerüchen und allen seinen Facetten. Wenn du einst alles gesehen und erlebt hast, wirst du eines Tages wieder an diesen Ort gelangen, an den Ort, wo der Baum der letzten Erkenntnis steht. Dann iss die Frucht von diesem Baum und du wirst den Garten für immer verlassen.“
 
Doch wohin wird er den Garten verlassen, in welche Richtung und was befindet sich außerhalb des Gartens? Der Garten Eden ist ein Symbol für die gesamte Schöpfung, für die Materie. Es gibt kein materielles Außerhalb von ihm. Doch wenn der Mensch einst alle Werke Gottes erkannt hat, erkennt er zuletzt Gott selbst. Erkennt er, dass Gott nicht von ihm getrennt ist. Mit dieser letzten Erkenntnis löst er sich auf in Gott. In die Seligkeit. Im Garten befand er sich in der Seligkeit eines Kindes, im Erforschen des Gartens wuchs er nach und nach hinein in göttliche Seligkeit. Für den Garten ist er gestorben, doch er ist im selben Moment in das Göttliche hinein geboren. Und das ist der Weg des Menschen.
 
Der Mensch aber, der sofort vom Baum der Erkenntnis essen will, der den Zeitpunkt dafür nicht abwarten kann, wird verwirrt und bindet sich für ewige Zeiten an die Materie. Denn er glaubt, das Paradies sei bereits die Erfüllung – und er wird sehr leiden.
 
Gehe spazieren ohne Ziel. Dann gleitest du in die Glückseligkeit, ohne es zu bemerken.

 


Das Leben ist unendlich
 

Da schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Er erschuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde.“

Was will Gott seinem Geschöpf, dem Menschen, hier sagen? Warum wirft er später Adam und Eva aus dem Paradies? – Es geht um geistige Entfaltung. Wir sollen verstehen, dass wir so groß und frei sind wie Gott, der uns tatsächlich nach seinem eigenen Vorbild erschuf.

 

Wir brauchen noch immer einen Rahmen, um etwas zu erkennen und um uns sicher zu fühlen. Was wir reproduziert auf einem Bildschirm sehen, ist für uns wahrer als die Wirklichkeit. Wir meinen, wir können nicht ohne Umgrenzung leben, ohne Zaun, ohne Mauer – im Denken wie im physischen Sein. Höchstens beim Phantasieren und Träumen gönnen wir uns ein wenig Freiheit. Wir haben Angst, uns ohne Regeln und Gesetze, ohne betonierte Straßen und Glaubenssätze zu verlieren. Doch das Leben ist unendlich und unser Bewusstsein ist ebenso unendlich! Wir sind noch wie Babys, die ihre Nahrung als Brei und in Häppchen empfangen, die selig in ihrem Gitterbettchen schlummern. Wir haben Angst in der Fülle des Lebens zu ertrinken. Aber genau darum geht es! Das viel gepriesene Hier und Jetzt ist kein Punkt, es ist in Wahrheit Überall und Allezeit. Sei mutig und lasse die bekannten Dimensionen hinter dir. In deinem Denken, in deinem Entscheiden und Handeln, in deinem gesamten Sein. Um damit zu beginnen, musst du dich nirgendwohin bewegen, diese Weite und Unendlichkeit ist bereits in dir, in deinem Herzen. Einfach tief durchatmen und ‚Ja!’ sagen ist der erste Schritt in die Freiheit, in das echte Leben, in ein wahrhaftiges Glück, in ein ekstatisches, beseeltes Gestilltsein.


© 2019 Texte: Bhajan Noam; Bild: unbekannte Quelle

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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