Stunden-Gebete

Wenn du im Gebet
an den Keim des Lebens rührst,

wird in dir die Liebe geboren.

 

Wenn dich in tiefer Liebe
das Göttliche zu sich emporhebt,

wird dein ganzes Leben zum Gebet.

 

 

Gebet

 

Gottesdienst kann täglich stattfinden vor einem kleinen Altar oder einer einfachen Kerze. Gebet beginnt und beendet den Tag, führt morgens in einen erfüllenden Arbeitstag und abends in eine erholsame Nacht hinein. Gebet sollte, egal wo wir uns befinden und was wir gerade tun, dem Tag wieder seinen prägenden Rhythmus geben. Einen Rhythmus, der gesund für uns ist, der uns wohltut, der uns nicht außer Atem bringt, sondern der uns gerade wieder in unsere Natürlichkeit zurückführt. Dankgebet und Meditation sind die natürliche Sprache und Seinsweise der Seele.

 

 

 

ANLEITUNG

 

Der sehnlichste Wunsch eines jeden Menschen ist wohl, sich ganz und heil zu fühlen. In der Torah fordert Gott sein Volk auf „Seid heilig, denn ich bin heilig“. Und das Volk Gottes praktizierte Gebete und Rituale und folgte Geboten, um diesen Zustand des Heiligseins zu erreichen. Alles das wurde ihnen gegeben, um ihnen deutlich zu machen: jeder Augenblick dieses Lebens ist bedeutsam, jede Begegnung ist wertvoll. Den gewöhnlichen Alltag gilt es anzuheben zu einem heiligen Feiertag voller bedeutsamer Ereignisse, für die wir uns wach halten sollen, um nicht den ureigentlichen Sinn unseres Hierseins zu versäumen.

 

Hier wird beschrieben, wie jedem, auch im ganz normalen Berufsalltag, ein Praktizieren mit den „Acht Perlen der Freiheit“, den acht Stundengebeten, möglich ist. Es geht ja nicht darum, eine zusätzliche Leistung, wenn auch spiritueller Art, zu erbringen, für die wir von unserer sowieso schon knappen Zeit wieder etwas opfern müssten. Es geht ganz im Gegenteil darum, Zeit mit höherer Qualität zu gewinnen. Und von dieser kostbaren Zeitinsel wird allmählich eine Strahlung hinüberscheinen in alles Profane, um es zu weihen, zu heiligen, nach und nach in etwas Besonderes zu verwandeln.

 

Die Gebete machen uns bewusst, dass unser jetziges Leben, jeder Augenblick davon, für uns selbst und für alle die, die mit uns sind – letztlich für den gesamten Kosmos – von großer Wichtigkeit ist. Unser Seelenstern spielt eine ebenso tragende Rolle wie jeder Stern, wie jede Galaxie in diesem göttlichen Reigen. Unser Tanz, unsere Melodie, unser Atem, unsere Phantasie erschaffen, wandeln und erhalten diese Welten und sind zuletzt gemeinsam das alles durchwebende, unsichtbare Band der höchsten Liebe selbst.

 

Halte dich für wesentlich, sei dir wichtig. In dem Sinn, dass Gott dir mit dem Leben, das er dir schenkte, auch eine Aufgabe erteilte, die du manchmal erst herauszufinden, in jedem Fall aber zu erfüllen hast. Dafür gab er dir den Verstand, den Willen und die Kraft. Dafür schuf er dir ein gütiges Herz und einen Sinn für Wahrhaftigkeit. Dafür pflanzte er in dich die unlöschbare Flamme der Freude und Begeisterung. Dafür schenkte er dir die Phantasie, den Sinn für Schönheit, ein freundliches Wesen und eine scheinbar unstillbare Sehnsucht. Und am Ende vermachte er dir noch ein Rätsel. – Der Mensch kommt als ein Fragender auf die Welt, um am Ende nicht etwa eine Antwort gefunden zu haben, sondern das Fragen in ein Wundern und letztlich in ein einfaches, stilles Sein verwandelt zu sehen.

 

Ein lebendiges Beten

 

Diese Zeilen wollen dich einführen in ein neues, lebendiges Beten: Ein Beten, das von Anfang an eine ganz und gar positive Erfahrung für dich sein wird; ein Beten, das deinem Leben eine stabilere Basis verleiht, ein Beten das in deinem inneren Raum, und vor allem in deinem innersten Herzensraum, eine Heiligkeit gepaart mit Leichtigkeit und Heiterkeit erstrahlen lässt; ein Beten, das Gott auf eine fröhliche Weise zu dir einlädt; ein Beten, das kein Bitten sondern eine demütige, fast hilflose Dankbarkeitsbezeugung aus deinem Herzensgrund an das Unendliche ist; ein Beten, das dich von seiner Struktur her leicht in tiefere Schichten deines Unbewussten und damit zu immer mehr Selbsterkenntnis führen wird; ein Beten, das dich aus Abhängigkeiten, unbewussten Mechanismen und Projektionen herausführt; ein Beten, das aus dem Schaf einen Löwen und aus dem Löwen den wahren Menschen machen möchte; ein Beten zuletzt, das jedes Mal in eine heilige Zeremonie eingebettet wird, die du aber selbst kreieren musst, deshalb ein Beten, welches von dir immer wieder frisch, lebendig und dynamisch erlebt wird, und allein dadurch schon so befreiend auf dich wirkt.

 

Wer lange nicht mehr Religion praktiziert hat, wer noch nie oder vielleicht seit seiner Kindheit keine Gebete mehr laut gesprochen oder leise flüsternd gelesen hat, wer bisher „nur“ still meditiert hat, der könnte jetzt mit diesen Gebeten beginnen, und mit ihnen wieder in eine innere Heimat zurückkehren, die schon lange auf ihn gewartet hat. Und wem das Beten bereits eine wichtiges Herzensbedürfnis ist, der kann mit dieser Praxis für sich eine neue Tiefe entdecken und erforschen.

 

Jeder Tag hat seinen Rhythmus, seine ganz besondere Melodie. Jede Stunde hat ihre bestimmte Schwingung, ihre spezielle Stimmung. Deshalb haben schon die alten Weisen nicht nur das Jahr, sondern auch den Tag und die Nacht in verschiedene Abschnitte eingeteilt. Es gibt Stunden, die wie Feiertage heilig sind, und Stunden, die profaner Arbeit dienen; Stunden der Ruhe, des Schlafens, der Erbauung sind so wichtig wie Stunden des Broterwerbs. Du brauchst Zeiten für die Familie und für die Freunde und Zeiten für den Rückzug und die Besinnung. Zeiten für die Pflege deines Körpers und Zeiten für die Pflege deines Geistes und deiner Psyche. All dieses berücksichtigt, wer sein Leben weise plant und lebt.

 

Gewisse Abschnitte des Tages werden durch bestimmte Gebete eingeleitet oder durch sie beendet. Mit diesem Ritual vertrauen wir uns und all unser Tun dem Segen Gottes an, und unterstellen uns damit bewusst und demütig seiner weisen Führung und seinem sicheren Schutz. Nichts ist sicher in unserer wechselhaften Zeit, deshalb sollten wir nach dem suchen, was durch alle Zeiten und Ereignisse hindurch Bestand hat. Wenn wir nachts zum Himmel aufschauen, muss uns die ungeheure Weisheit, die alles das lenkt, geradezu sprachlos und ehrfürchtig machen. Im Gebet nehmen wir Kontakt auf zu dieser Kraft, öffnen wir uns vertrauensvoll für sie und erleben sie unmittelbar in unserem bis dahin kleinen, isolierten Dasein. Wir erfahren Weite im Gebet, Kraft und Ruhe, Sinngebung, Rückbindung und innere Reifung.

 

Beten ist nicht ein Daherplappern. Beten ist Lernen! Prüfe, was du im Gebet und im Alltag sagst. Reflektiere dein Tun, dein Denken, deine Einstellungen, deinen Umgang mit anderen und mit dir selbst. Ein tiefer Wandel kann sich dadurch in dir vollziehen.

 

Beten ist auch Poesie. Bringe deine Gebete, bringe deine Gedichte, bringe deine Lieder, bringe deine Freude vor Gott und in dein Leben! Bete mit Hingabe und Liebe in deinem Herzen. Dann wird Religion zur Revolution in deinem Leben.

 

Diese Gebete sind natürliche Medizin. Sie öffnen dein Herz und stärken Mut und Glauben. Sie offenbaren dir Gottes bedingungslose Liebe zu dir.

 

Bete sie, wenn du gesund bist.

Bete sie, wenn du krank bist.


Bete sie, wenn du glücklich bist.

Bete sie, wenn du unglücklich bist.

Bete sie im Erfolg.

Bete sie bei Misserfolg.

Bete und dein Leben wird erhöht.

 

Was du heute nicht verstehst, wirst du einst verstehen.


Was du heute verstehst, wirst du wieder vergessen.


Bete und dein Herz schlägt fröhlicher. Bete mit heiligem Feuer.

 

 

Beachte ein paar kleine Dinge:

 

Bevor du zu beten beginnst, wasche dir die Hände und das Gesicht, und trinke ein Glas Wasser. Bringe dich in eine heitere Stimmung. Hüpfe, tanze, lache, singe ein Lied oder ein paar einfache Töne. Gott ist Freude. Gott ist Spiel. Gott ist Schönheit und Anmut. Gott ist Begeisterung. Deshalb soll dein Beten nicht zu ernst sein. Auch wenn du betrübt bist, auch wenn deine Tränen gerade fließen, lasse sie fröhlich fließen, verkrampfe dich nicht, bewege dich. Setze dich nicht in Wut zum Gebet hin, wandele Wut durch Tanz in Mitgefühl und durch Singen in freundliches Verstehen.

 

Beten ist ein heiliges Ritual, schaffe dir einen kleinen geweihten Raum dafür. Zünde Kerzen an. Hülle dich in eine Decke oder in einen Gebetsschal und setze dich still hin auf einen Stuhl oder auf den Boden. Schaue eine Weile ins Kerzenlicht. Schließe nun deine Augen und gehe in die Stille. – Dann erst, wenn du dich bereit fühlst, beginne das Gebet der Stunde zu lesen. Lies es langsam und bedacht. Lies es ruhig dreimal oder öfter. Wenn du es in dieser Weise tust, auch wenn du es später schon lange zu kennen glaubst, wird es immer eine neue Offenbarung für dich sein!

 

Lege jetzt das Gebet zur Seite und schließe wieder die Augen. Mit der Zeit wirst du eine große Kraft in dir verspüren und sie auch ausstrahlen. Widerstehe aber allen Versuchungen, sie im Äußeren zu nutzen. Sie ist für deine innere Entwicklung vorgesehen, für deinen Durchbruch zu Gott. Verbirg sie nach außen.

 

Bete jedes Gebet zu seiner Stunde. Wenn du eins oder mehrere versäumt hast an einem Tag, hole sie nicht außerhalb ihrer Zeit nach. So wirst du vielleicht Sehnsucht bekommen, sie zu ihrer Stunde zu erfahren und dir den nächsten Tag anders einteilen.

 

Bleibe stets natürlich. Versäume nicht deine alltäglichen Pflichten. Unterdrücke nicht dein Schlafbedürfnis. Der Mensch dient nicht dem Gebet. Und das Gebet dient nicht als Ersatz für gelebtes Leben. Es ist aber ein Begleiter, ein Beschützer, ein Freund und ein weiser Kompass auf dem Pfad der Verwirklichung.

 

 

Die Gebetszeiten:

 

Bete das „Morgengebet“ um 6 Uhr.


Bete das „Zweite Morgengebet“ um 9 Uhr.


Bete das „Mittagsgebet“ um 12 Uhr.


Bete das „Gebet am frühen Nachmittag“ um 15 Uhr.

Bete das „Nachmittagsgebet“ um 18 Uhr.


Bete das „Abendgebet“ um 21 Uhr.


Bete das „Gebet zur Mitternacht“ um 24 Uhr.


Bete das „Stille Gebet“ um 3 Uhr.

 

Lies auch einmal täglich nach dem Gebet und deiner Meditation den Text „Erinnerung“. Und einmal monatlich irgendwann am Abend diese Anleitung.

 

 

Zu den Reflektionen:

 
„Die Acht Perlen der Freiheit“ sind ein Prüfstein für unser Den-ken und Handeln. Sie sind Medizin für unsere Verwirrung. Sie sind Erkenntnisweg, Weisheitslehre, Lebensordnung, Medita-tion, Gebot, spirituelle Übung – und vor allem ein unablässiges tiefes Fragen an uns selbst.
 
Die nach jedem Gebet folgende Reflektion möchte dich dazu anregen, über das einzelne Gebet, nachdem du es für dich gesprochen und darüber kontempliert hast, öfter auch schrift-lich zu reflektieren: als Selbsterforschung, als Forschen nach der Weisheit, nach dem Frieden, nach der Liebe, nach dem Göttlichen in dir. Benütze anfangs diese Anregungen, später schreibe deine Gedanken frei nieder.
 
Jedes der acht Gebete ist eine leicht zu öffnende Tür zur Wahr-heit. Alle gemeinsam sind sie ein mystischer Pilgerpfad – nicht nach Jerusalem, nicht nach Rom, nicht nach Compostella – dein innerstes Herz ist ihr Ziel. Gehe ihn mit allem Ernst und mit aller Freude. Am Ende, was auch immer deine Motivation gewesen sein mag, wirst du das gefunden haben, wonach dein Herz immer suchte.
 
Om Shanti, Salam, Shalom, Peace, Frieden. Möge es für alle Übenden so sein. Amen.
 
 

Das Buch "Die Acht Perlen der Freiheit" mit den acht Stundengebeten, den Reflektionen, einer Anleitung, den Sutras von Sri Gopala Guru Goswami und Textauszügen aus heiligen Schriften, 120 Seiten, 8,- €, ist hier portofrei (D) bestellbar: bhajan-noam@gmx.de

 

 

 

 

 

 

 

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